Obamas Berlin-Rede und die Ratifizierung des Kernwaffenteststopp-Vertrages

Mit dem Berlin-Besuch des US-Präsidenten Barack Obama am Mittwoch wurde in einer Stadt, die immer wieder Geschichte schreibt, diese Woche ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Nachdem seine Vorgänger John F. Kennedy im Juni 1963 mit seinem Bekenntnis als Berliner und Ronald Reagan 1987 mit seiner Aufforderung an Gorbatschow, die Mauer niederzureißen, jeweils Sätze prägten, die sich zu geflügelten Worten aufschwangen, wurde von vielen Menschen in der angekündigten Grundsatzrede des amtierenden US-Präsidenten vor dem Brandenburger Tor erneut ein Satz von ähnlicher Tragweite erwartet.

Abrüstungsvorstoß Obamas am Brandenburger Tor

Ein geflügeltes Wort gab es zwar nicht, dafür wurde aber historisch Bedeutsames an historisch bedeutsamer Stelle – dem Brandenburger Tor – ausgesprochen. In Berlin, wo sich mit den USA und der ehemaligen Sowjetunion einst zwei hochgerüstete, bis an die Zähne bewaffnete Atommächte unmittelbar gegenüberstanden, an dieser Nahtstelle, die keine mehr ist, äußert der US-Präsident die Bereitschaft der USA, ihre strategischen Atomwaffen und einsatzbereiten Atomsprengköpfe um ein Drittel zu reduzieren. Dieser eigentlich schon für seine erste Rede zur Lage der Nation seiner zweiten Amtszeit im Februar erwartete Vorschlag traf in Deutschland und bei vielen Europäern auf breite Zustimmung.

Kritik aus Russland und den eigenen Reihen

Aus Russland und dem amerikanischen Kongress wurden hingegen auch kritische Stimmen laut. So äußerte sich der stellvertretende russische Ministerpräsident Dmitri Rogosin, dass die Vorschläge nicht ernst genommen werden könnten, solange die Vereinigten Staaten gleichzeitig ihre Raketenabwehr verstärkten.

Auch bei den Republikanern im US-Kongress wurde Kritik laut, die vom Vorwurf der Leichtgläubigkeit im Umgang mit Russland, wie Senator Howard McKeon äußerte, bis zur deutlichen Warnung vor einseitiger Abrüstung reichen. Während McKeon anführte, dass sich Moskau nicht an bestehende Abrüstungsverträge halte und Putin daher an seine Verpflichtungen zur atomaren Abrüstung erinnert werden müsse, plädierte Senator Bob Corker dafür, dass die USA zunächst ihr Atomwaffenarsenal „voll modernisieren“ müssen, ehe Obama weitere Gespräche mit Russland in Angriff nimmt. Der republikanische Kongressabgeordnete Mike Turner ging in seiner offenen Kritik sogar noch weiter und äußerte, dass Präsident Obama ins Ausland gereist sei, um eine neue Runde einseitiger Abrüstung anzukündigen, nur um ein ausländisches Publikum zu beschwichtigen.

Ratifizierung des Atomteststopp-Vertrages angekündigt

Vor diesem Hintergrund fällt es manchem sicher schwer, an die erfolgreiche Umsetzung des zweiten Teils von Obamas Initiative zu glauben. Der US-Präsident erklärte in seiner Grundsatzrede vor dem Brandenburger Tor, dass er alles dafür tun werde, um in den USA die notwendige Mehrheit zur Ratifizierung des Allgemeinen Atomteststopp-Vertrages zu bekommen.

Dieser 1996 von der UN-Abrüstungskonferenz vorgeschlagene und von der UN-Generalversammlung angenommene Vertrag verbietet die Durchführung jeder Art von Kernwaffenexplosionen für zivile oder militärische Zwecke und ist bisher von 182 Staaten unterzeichnet und 157 Staaten ratifiziert worden. Von den 44 Staaten, die über Kerntechnik verfügen, haben bisher 41 unterschrieben und 36 ratifiziert. Während Indien, Pakistan und Nordkorea noch nicht unterschrieben haben, steht bei Ägypten, China, Iran und Israel sowie den USA die Ratifizierung noch aus. Der US-Senat lehnte diese Ratifizierung 1999 ab.

2.055 Atomtests seit 1945 weltweit – der letzte in Nordkorea

Obwohl 44 Staaten über die Möglichkeit und die Technologien zur Herstellung von spaltbarem Kernmaterial verfügen, haben nur 8 Staaten bisher Kernwaffentests durchgeführt. Unsere Infografik liefert hierzu einen Überblick. Seit 1945 wurden demnach 2.055 Atomwaffentests weltweit durchgeführt, wobei die USA mit 1.032 bei der Zahl der Tests weit vor Russland (bzw. der ehemaligen UdSSR) mit 715 Atomwaffentests den unrühmlichen ersten Platz belegen. Mit weitem Abstand folgen Frankreich mit 210 Tests sowie Großbritannien und China mit jeweils 45 Kernwaffentests.

Während diese Staaten jedoch den Atomteststopp-Vertrag zumindest unterschrieben haben, verweigern Indien (3), Pakistan (2) und Nordkorea (3) bisher ihre Unterschrift. Wie dringend es ist, diesen Vertrag weltweit in Kraft zu setzen, zeigt die jüngste Vergangenheit. Erst im Februar dieses Jahres ließ ja Nordkoreas jetziger Machthaber Kim Jong Un nach 2006 und 2009 den dritten Atomtest durchführen. Trotz weltweiter Kritik hält dieser aber an seiner Politik der Stärke und seinem Kernwaffenprogramm fest.

Ob es Obama vor diesem Hintergrund der Entwicklung sowie gegen die kritischen Stimmen aus Russland und dem US-Kongress gelingen wird, seine Ankündigungen in die Tat umzusetzen, bleibt sicher abzuwarten. Auch wenn seine Worte, keine Mauer könne dem Drang der Menschen nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit standhalten, vielversprechend klingen und er die Regierungen in der Verantwortung sieht, entsprechende Bedingungen zu schaffen, um diesem Drang gerecht zu werden und Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit Realität werden zu lassen – es dürfte ein schwerer Weg werden.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert