Andreas Schnauder: Kommentar – Banken brauchen Planken

Wien – Das wird wohl so manchem Kleinverdiener das Messer im Sack aufgehen lassen: Mehr als 3000 europäische Spitzenbanker verdienten sich 2011 eine goldene Nase. Von den Einkommensmillionären sitzen nicht ganz überraschend fast 80 Prozent in Großbritannien, hat die europäische Bankenaufsicht EBA am Dienstag bekanntgegeben. Ganz generell hat sich wenig an den Boni-Exzessen geändert – variable Vergütungen machen in manchen Ländern fast das Fünffache des Grundgehalts aus. Das sind in Zeiten, in denen gefallene Banken nicht nur Staatskassen geleert haben, sondern via Sparpakete maßgeblich zu tiefer Rezession und hoher Arbeitslosigkeit in Europa beigetragen haben, bittere Nachrichten. Geradezu giftig erscheinen sie in Verbindung mit den vielen Enthüllungen über das moralische Gerüst in den Banketagen: Einmal sind es Telefonmitschnitte von Managern der notverstaatlichten Anglo-Irish, die an Dekadenz nicht zu überbieten sind. Dann sind es wieder Dokumente von US-Banken, die zeigen, wie Schrottpapiere wissentlich an Kunden verhökert wurden. Am Dienstag kam zu allem Überdruss der halb wissenschaftliche Beleg dafür, wie die Wall Street tickt: In einer Umfrage gibt ein Drittel der befragten New Yorker Finanzmanager an, in der Branche komme man nur mit illegalem Verhalten weiter. Das Bild von den abgehobenen Gierschlünden hat sich knapp fünf Jahre nach der Lehman-Pleite trotz aller Reformbemühungen kaum verändert. Ob es der Realität entspricht, ist eine andere Frage. Man müsste beispielsweise die Einkommen der Banker mit jenen anderer Branchen vergleichen, und da gibt es durchaus Hinweise, dass Manager in der Finanzindustrie nicht die Gagenkaiser sind. Aber es gibt natürlich Unterschiede: Während ein Industrie- oder Handelskonzern bei Zahlungsunfähigkeit zusperrt, springt bei Banken der Steuerzahler ein. Angesichts dieser impliziten Staatsgarantie gibt es einen völlig berechtigten politischen Anspruch, die Aktivitäten der Banken und damit auch die Gagen zu regulieren. Zumal die Struktur Letzterer Anreize für riskantes Verhalten enthält. Abgesehen von den jüngsten Bad News wurden da in den vergangenen Jahren einige Fortschritte gemacht. Dazu zählt die (leider noch nichtin Kraft getretene) EU-Norm, wonach Boni in der Regel nicht größer als das Fixgehalt sein dürfen. Andere Bestimmungen wiederum knüpfen die Auszahlung der Erfolgsprämien an das Erzielen nachhaltiger Gewinne. Sonst wird der Bonus zum Malus. Auch in anderen Bereichen hat die Lehman-Pleite einen beachtlichen Reformeifer ausgelöst. Höhere Kapitalquoten der Banken beispielsweise sind ein prinzipiell richtiger Schritt. Der große Haken an den zahlreichen Bestimmungen ist der Hang zur Überregulierung und der Mangel an klar sichtbaren Leitplanken, die die Banken benötigen. Die Inhalte von Basel III oder CRD IV sind ähnlich sperrig wie die Begriffe an sich. Die Heerscharen an Experten und Beratern der Geldinstitute werden den Aufsehern immer einen Schritt voraus sein. Umgekehrt fehlen echte Prinzipien – allen voran ein Insolvenzrecht für Banken. Nur wenn das eingesetzte Kapital der Aktionäre und die Kredite der Gläubiger auf dem Spiel stehen, werden sich Teilhaber sorgfältig mit dem Risiko des Geschäfts sowie mit Kompetenz und Entlohnung des Managements auseinandersetzen – und verrückte Boni nicht einfach abnicken.

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