An die Substanz, Kommentar zur Bilanz der deutschen Sparkassen von Bernd Wittkowski

Frankfurt – Auch für die Sparkassen gilt der Karl Valentin et al. zugeschriebene Satz, dass Prognosen schwierig sind, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Aber manches ist ja berechenbar. Wenn ein Asset, das heute aus guten alten Zeiten stammende 4% abwirft, in drei Jahren fällig wird und neu angelegt werden muss, weiß man, was es künftig bei Null- und Negativzinsen bringt – oder eben nicht mehr bringt. Nehmen wir also an, dass Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon mit seiner Prognose, der Zinsüberschuss werde in höchstens fünf Jahren um 15% sinken, richtig liegt. Dann hätten die Sparkassen 2019 einen – bis dahin sukzessive steigenden – Ertragsausfall von 3,5 Mrd. Euro. Das sind 70% des Vorsteuerergebnisses des vorigen Jahres.

Dabei geht 2014 auch deshalb als außergewöhnliches Jahr in die Geschichte ein, weil die Kreditrisikovorsorge eine Quantité négligeable war: 0,3 Mrd. Euro. Zum Vergleich: 2004, nicht mal ein Annus horribilis, stand in dieser Position eine Belastung von 4,3 Mrd. Euro. Da kann es mithin, je nach Entwicklung von Konjunktur oder Immobilienmärkten, auch mal wieder in die andere Richtung gehen.

Damit ist zweierlei klar. Erstens: Die EZB lässt mit ihrer Geldpolitik die Ertragsbasis und letztlich die Geschäftsmodelle jener Institute erodieren, die sie als Bankenaufsicht zumindest indirekt überwacht; aber es gibt ja keinen Interessenkonflikt, wie uns versichert wurde. Zweitens: Die Sparkassen müssen, wie die allermeisten Banken, reagieren. Sie können sich nicht darauf verlassen, dass es irgendwann eine Zinswende in Euroland geben wird. Der Provisionsüberschuss, der bisher keine 30% des Zinsergebnisses ausmacht, mag an Bedeutung gewinnen, kann aber die Ausfälle auf der Zinsseite nicht annähernd ausgleichen.

Was bleibt dann? Verzehr mühsam aufgebauter Substanz und Hoffen auf bessere Zeiten – das wäre wohl schon mit Blick auf die verschärften regulatorischen Anforderungen keine gute Idee – oder Drehen an der Kostenschraube. Doch auch Letzteres wird über kurz oder lang an die Substanz gehen: die Substanz der Volkswirtschaft, zu deren Stärken hierzulande die flächendeckende Versorgung von Unternehmen, Selbständigen und Privaten mit Krediten und Finanzdienstleistungen auf einem hochkompetitiven Markt gehört. Fahrenschon hat Recht: Man sollte nicht aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen. Tatsache bleibt aber, dass die EZB mit ihrer pathologischen Politik dabei ist, die gesunden und bewährten deutschen Strukturen zu zerstören. Dagegen sollte mal jemand protestieren, wenn die Notenbank am 18. März ihren Neubau feierlich einweiht.

Quelle: ots

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