Zukunft der Elbe von Hamburg bis zur Nordsee

Die Hamburg Port Authority (HPA) und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) werden in den kommenden Tagen einen breit angelegten Dialogprozess zur Zukunft der Tideelbe beginnen. Damit setzen sie auch einen entsprechenden Wunsch der Länder Schleswig-Holstein und Hamburg um.
Ziel ist, Chancen und Möglichkeiten für die zukünftige Unterhaltung des Flusses und ein Miteinander von Natur, Wirtschaft, Anwohnern und Hochwasserschutz zu erörtern. Dazu soll in den kommenden Monaten ein möglichst breites Spektrum an Interessenvertretern und Akteuren entlang der Unterelbe aus den Ländern Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg zusammenkommen, Fakten klären, Ideen und Visionen diskutieren und konkrete Vorschläge erarbeiten.
„Der Erhalt der Unter- und Außenelbe als Lebensader für Mensch, Wirtschaft und Natur ist von großer Bedeutung für Norddeutschland. Wir wünschen uns einen intensiven und umfassenden Dialog, mit dem Ziel, die Zukunft der Elbe als ein gemeinsam erarbeitetes und gemeinsam getragenes Projekt zu begreifen, das Naturraum und Wasserstraße integriert“, so der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Dr. Hans-Heinrich Witte.
„Dieser gemeinsamen Verantwortung will sich auch Hamburg stellen. Denn nur im Dialog mit den verschiedenen Nutzern und Interessenvertretern kann es gelingen, gemeinsam Konzepte für die nachhaltige Sicherung des Elbeästuars – als einmaligen Lebensraum und Zugang zum Hamburger Hafen – zu entwickeln“, so HPA-Geschäftsführer Wolfgang Hurtienne.

Nächste Schritte zum Dialogprozess Tideelbe

Derzeit arbeiten die WSV und die HPA an einem Sedimentmanagementkonzept, das aufzeigen soll, wie die regelmäßigen Unterhaltungsbaggerungen der Elbe zukünftig gestaltet werden können. Jedes Jahr müssen allein in Hamburg vier bis sechs Millionen Kubikmeter Sedimente aus Hafenbecken und der Elbe gebaggert werden, damit die Schiffe an ihre Liegeplätze kommen. Auf der deutlich längeren Unterhaltungsstrecke des Bundes zwischen Cuxhaven und Hamburg sind es immerhin noch durchschnittlich elf bis zwölf Millionen Kubikmeter Sedimente, die mit einem Hopperbagger gebaggert und im Fluss umgelagert werden.
Um ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten, möchten die HPA und WSV gemeinsam mit den Umweltressorts der Länder die Meinungen und Ideen der betroffenen Akteure in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg zu dieser Thematik einholen und in einen Dialog eintreten. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Erwartungen und Ziele der einzelnen Akteure entlang des Flusses zu berücksichtigen. Die Kernfrage dabei ist: Wie kann die Unter- und Außenelbe als Schifffahrtsweg und Zugang zum Hamburger Hafen gesichert werden – bei gleichzeitiger Wahrung der verschiedenen gesellschaftlichen Interessen an die Tideelbe als Natur- und Wirtschaftsraum?
Zu diesem Zweck wird im ersten Schritt ein neutrales Moderatorenteam in den kommenden Wochen Gespräche mit Akteuren aus den Landkreisen und Gemeinden, Verwaltungen, Verbänden, der Wirtschaft und Elbnutzern aus der Region führen. Darin sollen Rahmenbedingungen eines gemeinsamen Dialoges diskutiert und mögliche weitere Themen für ein Dialogforum gesammelt werden.

Verantwortung unter Wasser

Über 130 Millionen Tonnen Güter werden pro Jahr umgeschlagen, knapp 10.000 Schiffe kommen hier an. Das wissen viele über den Hamburger Hafen. Dass dafür aber allein in Hamburg vier bis sechs Millionen Kubikmeter Elbsediment – eine Mischung aus Sand und feinkörnigem Schlick – pro Jahr gebaggert, umgelagert oder an Land behandelt und deponiert werden müssen, das wissen die wenigsten. Diese Menge entspricht rund 250.000 bis 350.000 Lkw-Ladungen. Die Hamburg Port Authority (HPA) kümmert sich in Hamburg darum. Von der Landesgrenze bis zur Nordsee lagert die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) im Mittel weitere elf bis zwölf Millionen Kubikmeter Sedimente mit einem Hopperbagger im Jahr um. HPA und WSV bewegen Massen unter Wasser, damit darüber Massen bewegt werden können. Denn nur mit einem umfassenden und vorausschauenden Sedimentmanagement sowie flankierenden strombaulichen Maßnahmen kann ein ausreichender wasserseitiger Zugang zum Hamburger Hafen sichergestellt werden. Das ist eine komplexe Managementaufgabe.
Zunächst muss man die natürlichen Bedingungen der gezeitenbeeinflussten Tideelbe verstehen. Hier geht es vor allem um die Beantwortung wissenschaftlicher Fragen – zum Beispiel wie sich Wasser sowie Sediment bewegen und verteilen oder welche ökologischen Wechselbeziehungen im Gewässer bestehen.
Die Tideelbe ist ein bedeutender Wirtschaftsraum: Sie ist eine der am meisten befahrenen Wasserstraßen Europas und bildet eine wichtige Grundlage für die Wirtschaftskraft Norddeutschlands. Seit Bestehen des Hamburger Hafens bedeutet das immer auch, die Infrastruktur an die Bedingungen der Wirtschaft anzupassen und zu unterhalten. So wie sich die Handelsschiffe im Laufe der Geschichte verändert haben, hat sich auch der Hafen entwickelt, den diese Schiffe ansteuern. Von der Nutzung der Tideelbe als Wasserstraße profitieren Hamburg, die Metropolregion und auch die Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Gleichzeitig ist die Tideelbe unter landschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten von großer Bedeutung: Sie ist der Lebensraum einer Vielzahl zum Teil seltener Tier- und Pflanzenarten.

Dem Strom auf den Grund gehen – Sedimente im Gezeitenfluss

Die Gezeiten sind in der Tideelbe – dem Flussabschnitt zwischen dem Wehr in Geesthacht und der Mündung in die Nordsee – deutlich erlebbar. Auch der Hamburger Hafen unterliegt damit zweimal am Tag dem Wechsel von Ebbe und Flut. Unter der Wasseroberfläche findet gleichzeitig eine nicht minder faszinierende Bewegung statt: Mit dem Flutstrom wird nicht nur Wasser von der Nordsee in die Elbe gedrückt, sondern auch Sediment stromaufwärts Richtung Hamburg bis in den Hafen transportiert.
Das Sediment der Tideelbe besteht also sowohl aus Material, das die Elbe auf ihrem Weg von der Quelle zur Mündung mit sich führt, als auch anteilig aus Material, das von der Nordsee stammt.
Die feinkörnigen Sedimente aus dem Oberlauf der Elbe werden strom-abwärts Richtung Nordsee befördert. Gleichzeitig bringt aber auch der Flutstrom von der Nordsee her sandhaltigeres Material flussaufwärts. Wo die Strömungsgeschwindigkeit abnimmt, lagern sich die Sedimente ab. Das ist besonders in den Hafenbecken und in den strömungsärmeren Bereichen des Flusses wie den Nebenelben der Fall. Mit der nächsten Flut oder einer Zunahme der Wassermenge der Elbe oberhalb von Hamburg (Oberwasserabfluss) kann das abgelagerte Sediment erneut in Bewegung kommen. Auf diese Weise bewegt die Tideelbe auch Sedimente im Wechsel der Gezeiten hin und her, wobei aber die stromaufwärts bewegten Sedimente den weitaus größeren Anteil ausmachen. So überwiegt oberhalb von Glückstadt der Einfluss der Flutströmung, so dass hier ein großer Teil der Sedimentfracht im Wechsel der Gezeiten stromaufwärts transportiert wird. Experten bezeichnen diesen Effekt als Tidal Pumping – wörtlich: das Pumpen der Tide.
Nicht nur durch den ständig wechselnden Gezeitenstrom verändert sich das Gewässer. Auch der saisonal variierende Oberwasserabfluss und der lang anhaltende Trend im Anstieg des Meeresspiegels haben Einfluss. Zusätzlich hat der Mensch in den vergangenen Jahrhunderten durch Vertiefungsmaßnahmen, Hafenausbauten, Vordeichungen und Sperrwerksbauten immer wieder in den Fluss eingegriffen. All diese Faktoren verändern die Struktur des Gewässers – die sogenannte Hydromorphologie der Tideelbe. So wird das Gewässerbett ständig umgeformt. Das wirkt sich auch auf die Schiffbarkeit und damit die Zugänglichkeit des Hafens aus.
Neben der Quantität – es geht um vier bis sechs Millionen Kubikmeter im Jahr allein in Hamburg – stellt auch die Qualität der Sedimente eine Herausforderung für das Sedimentmanagement dar. Während die Flut überwiegend schadstoffarme Sedimente aus dem Elbmündungsbereich flussaufwärts Richtung Hamburg transportiert, gelangen mit Sedimenten aus dem Bereich der Oberelbe auch Schwermetalle und organische Schadstoffe nach Hamburg. Die Sedimente entstehen, indem sich Schwebstoffe im Flussbett ablagern – deshalb spricht man hier von schwebstoffbürtigen Sedimenten.
Die Schadstoffbelastung der Elbe hat sich seit der politischen Wende vor über 20 Jahren erheblich verbessert. Da Schwebstoffe und Sedimente aber die Eigenschaft haben, anorganische und organische Schadstoffe an sich zu binden, bleiben auch vergangene Belastungen des Flusses noch über Jahre erhalten. Die Sedimente sind sozusagen eine Art Langzeitgedächtnis für die Belastungsgeschichte der Elbe.
Die Schadstoffe stammen überwiegend aus alten industriell geprägten Ablagerungen im und am Gewässer sowie aufgelassenen Bergwerken, beispielsweise im Erzgebirge. Hinzu kommen auch im Hamburger Bereich noch Einträge, z. B. aus Werftbetrieben und Industrieanlagen. Ebenso zu erwähnen sind größere Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft.
Der Fluss trägt mit den Sedimenten also auch immer einen Teil dieser partikelgebundenen Schadstoffe, wie es fachlich heißt und gelöste Stoffe im Wasserkörper bis in das Ökosystem Tideelbe, das Wattenmeer und letztlich auch in die Nordsee.
Foto: © bono-c

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