Die Opec entmachtet sich, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Raffinerie
Bei der Presseerklärung, die am Donnerstag in Wien veröffentlicht worden ist, handelt es sich um ein typisches Kommuniqué, wie es die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) im Anschluss an ihre Ministertreffen stets herausgibt. Zunächst einmal wird einigen Ministern und anderen Persönlichkeiten aus dem Umfeld des Kartells für ihr Engagement gedankt. Es folgt der Hinweis auf die Ernennung eines neuen Opec-Generalsekretärs, und dann gibt es noch zahlreiche warme Worte dazu, dass sich die Organisation für Marktstabilität und andere gute Zwecke einsetzen will. Nur eine Aussage fehlt, wie auch schon beim vorigen Treffen der Organisation im Dezember vergangenen Jahres: Es gibt wieder keine Einigung auf neue Obergrenzen für die Ölförderung, an die sich die Mitgliedstaaten zu halten hätten.

Damit wird deutlich, dass es hinter der gepflegten Fassade der Organisation nach wie vor harte Auseinandersetzungen gibt. Jeder Mitgliedstaat kämpft um sein eigenes Wohl und Wehe im Umfeld eines historisch gesehen (vgl. Grafik) immer noch niedrigen Ölpreises. Überschattet wird das Ganze durch den Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran um die Vorherrschaft in der Region.

Derweil produziert das Kartell auf Teufel komm raus. Gemäß den letzten verfügbaren Zahlen werden 32,5 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gefördert. Somit wird das Niveau der letzten verbindlichen Quoten aus dem vergangenen Jahr von 30 Mill. bpd deutlich übertroffen.

Nach Ende des Treffens in Wien geriet der Ölpreis erwartungsgemäß zunächst unter Druck – und der neue saudi-arabische Ölminister Khalid al-Falih war um Schadensbegrenzung bemüht. Er versprach ein „sanftes Vorgehen“ seines Landes, die Vermeidung von neuen Schocks für den Ölmarkt und betonte den Konsens. Al-Falih ließ damit durchblicken, dass innerhalb des Kartells die Angst vor einem Rücksturz der Notierungen auf die Niveaus vom Jahresanfang durchaus noch vorhanden ist.

Auf dem Ölmarkt spielt sich ein harter Kampf um Marktanteile ab. Der Iran möchte seine alte Marktposition von vor dem Beginn der Sanktionen im Atomstreit wiedererlangen, was nur auf Kosten Saudi-Arabiens geschehen kann. Letztlich ist die Sitzung vom Donnerstag daran gescheitert, dass der Iran darauf besteht, einen prozentualen Anteil an der Gesamtforderung des Kartells zugesprochen zu bekommen, wie er ihn vor dem Beginn der Sanktionen innehatte. Das würde darauf hinauslaufen, dass das Land seine Förderung von derzeit 3,5 Mill. bpd auf rund 4,7 Mill. bpd anheben dürfte. Dem kann Saudi-Arabien als der größte Opec-Produzent in der gegenwärtigen Lage natürlich nicht zustimmen.

Die Opec hat daher ihre Position als ein wichtiger – zeitweise zentraler – Machtfaktor am Ölmarkt verloren. Zum einen, weil die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran das Kartell lähmt, zum anderen, weil die Opec nur noch ein Drittel zur Weltproduktion beisteuert. Wie tief das Kartell gesunken ist, wird daran deutlich, dass es mittlerweile schon als ein Erfolg gefeiert wird, dass man sich nach monatelangem Streit auf die Ernennung des – neutralen – Nigerianers Mohammed Barkindo zum neuen Generalsekretär einigen konnte.

Dass sich der Ölpreis trotz der Ohnmacht der Opec stabilisiert, liegt vor allem daran, dass sich der Markt derzeit neu ausbalanciert. Noch vor wenigen Monaten gab es ein enormes Überangebot von 2 Mill. bpd. Dieses ist mittlerweile verschwunden, weil kurzfristig umfangreiche Produktionsausfälle in Kanada, Nigeria, Venezuela und Libyen aufgetreten sind. Aber auch mittelfristig zeichnet sich durch den Rückgang der US-Schieferölförderung eine Besserung ab.

Damit ist es auch bei einem anhaltenden oder sich gar intensivierenden Streit innerhalb der Opec eher unwahrscheinlich, dass der Ölpreis wieder auf Niveaus von rund 30 Dollar je Barrel zurückfällt. Auf der anderen Seite ist allerdings auch nicht zu erwarten, dass sich die Erholung in nennenswertem Ausmaß fortsetzt. Dafür spricht, dass – wie erwähnt – der Iran seine Förderung hochfahren will und dass der technische Fortschritt dafür sorgt, dass die Grenzkosten der Schieferölförderung in den USA stetig sinken. Das bedeutet, dass weniger US-Firmen die Förderung angesichts des ungünstigen Preisniveaus aufgeben müssen. Es ist daher aus heutiger Sicht die realistischste Perspektive, dass der Ölpreis vorerst in der Größenordnung von 50 Dollar verharrt.

Quelle: Börsen-Zeitung

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