Juncker wirft EU-Regierungen „Heuchelei“ beim Thema Migration vor

Im Bemühen, Kontrolle über die Migration zu erlangen, wirft EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Staaten der Europäischen Union eine „himmelschreiende Heuchelei“ vor und fordert sie zu schnellem Handeln auf. Mehr als zwei Jahre lang hätten die EU-Staats- und Regierungschefs einen besseren Schutz der europäischen Außengrenzen gefordert, sagte Juncker der „Welt am Sonntag“. Daraufhin habe die EU-Kommission vorgeschlagen, die Zahl der europäischen Grenzschutzbeamten bis Ende 2020 auf 10.000 Mann zu erhöhen.

„Und jetzt kommen plötzlich von vielen Seiten Bedenken. Das sei ein Eingriff in die nationale Souveränität, alles ginge viel zu schnell und die Zahlen seien zu hoch gegriffen. Das ist doch eine himmelschreiende Heuchelei“, kritisierte Juncker. Auch diejenigen, so Juncker, die zuvor einen mangelnden Außengrenzschutz lautstark beklagt hätten, wollten sich jetzt nicht engagieren. „So kann Europa nicht funktionieren. Wir müssen schnell handeln, damit wir vorbereitet und die EU-Außengrenzen auch wirklich unter Kontrolle sind“, sagte der Kommissionschef. Die betreffenden Staaten sollten „ihre Bedenken hintenanstellen und den vorgeschlagenen Außengrenzschutz zügig beschließen“.

Zum Hintergrund: Auch die Bundesregierung hatte sich Anfang Dezember gegen die ambitionierten Grenzschutzpläne Brüssels gestellt. Auf die Frage, ob Großbritannien am 29. März die EU verlassen werde, sagte Juncker: „Davon gehe ich aus, denn so hat es die britische Bevölkerung beschlossen.“ Er forderte London auf, konkrete Pläne für die künftigen Beziehungen vorzulegen: „Nicht wir verlassen Großbritannien, sondern Großbritannien die EU. Die Vorstellung von Teilen der britischen Öffentlichkeit, dass es allein an der EU wäre, eine Lösung für alle künftigen britischen Probleme vorzuschlagen, empfinde ich als Zumutung.“ Juncker appellierte: „Rauft Euch zusammen. Und sagt uns dann Bescheid, was ihr denn nun wollt.“ Die Lösungsvorschläge der EU lägen bereits seit Monaten auf dem Tisch. Mit Blick auf die geplante Abstimmung über den Austrittsvertrag im britischen Parlament am 15. Januar macht der frühere luxemburgische Premier London ein Angebot: „Falls die Abgeordneten im britischen Unterhaus Mitte Januar für den Austrittsvertrag stimmen, dann sollten wir schon einen Tag später mit den Vorbereitungen der künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU beginnen und nicht erst nach dem offiziellen Austrittstermin am 29. März.“ Es sei nicht die Absicht der Europäer, Großbritannien „mit allen Mitteln“ in der EU zu halten. „Wir wollen nur Klarheit über die künftigen Beziehungen“, betonte Juncker in dem Interview. Nach seinen Worten kann es bei den Europawahlen im Mai 2019 „unzulässige Versuche der Einflussnahme“ geben. „Darauf sind wir in Europa noch nicht ausreichend gut vorbereitet“, sagte Juncker. In der Kommissionsbehörde habe man jüngst die personellen Mittel aufgestockt, um verstärkt gegen Falschinformationen vorzugehen. Juncker: „Aber natürlich reicht das noch nicht aus.“ Alle Mitgliedstaaten müssten dabei ihre Kräfte bündeln. „Gegen die Trolle und Hackertruppen aus China oder Russland muss Europa geeint auftreten“, sagte Juncker.

Foto: Jean-Claude Juncker, über dts Nachrichtenagentur

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