Keine Angst mehr vor der Fed, ein Marktkommentar von Kai Johannsen

Der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke hat im Frühjahr 2013 mit einem im Grunde genommen eher unspektakulären Halbjahresbericht vor dem US-Kongress die internationalen Finanzmärkte kräftig durcheinandergewirbelt. Bernanke stellte den Märkten seinerzeit erstmals den Ausstieg aus der ultralaxen Geldpolitik – dem QE 3 – in Aussicht. Zusammengefasst erklärte Bernanke, dass man weniger frisches Geld schaffen will, wenn der US-Arbeitsmarkt auf einem solideren Fundament steht. Die Debatte um das sogenannte Tapering – die allmähliche Rückführung der jahrelangen Bondkäufe – hatte begonnen.

Die Anleiherenditen in diversen Segmenten des US-Bondmarktes stiegen und zogen die Rentenmärkte praktisch rund um den Globus in Mitleidenschaft. Auch die Aktienmärkte bekamen das Beben zu spüren, schließlich hatten auch sie von dem schier endlos erscheinenden Liquiditätszufluss der Jahre zuvor erheblich profitiert. Schnell wurde an den Märkten erörtert, wer denn wohl zu den Hauptleidtragenden dieses Tapering gehören würde.

Die relevanten Adressen waren auf Länderebene schnell ausgemacht. Nicht die etablierten Staaten würden am meisten leiden, wenn in den USA die Marktunterstützung durch die Fed-Bondkäufe wegfällt und damit die Bondrenditen und später auch die Leitzinsen steigen. Vielmehr würden diejenigen Staaten unter Druck geraten, die auf einem nicht ganz so soliden finanziellen Fundament stehen, und das sind die Schwellenländer (Emerging Markets). Denn wenn es in den USA und später auch in anderen entwickelten Volkswirtschaften zu höheren Renditen/Zinsen kommt, werden Anleger ihr Geld aus den Emerging Markets abziehen und es zu den gestiegenen Sätzen in den USA und anderswo anlegen.

Die Emerging Markets leiden unter dem Kapitalabzug, der in den betroffenen Ländern über entsprechende Anleiheverkäufe zu höheren Bondrenditen führt. Die Fed belastet also über einen Ausstieg aus der unkonventionellen Geldpolitik die Emerging Markets. Diese Furcht der Märkte wurde auch später bei der Fed sehr ernst genommen. Die Fed wurde in Sachen Tapering und vor allen Dingen im Hinblick auf eine erste – seinerzeit längst überfällige – Leitzinsanhebung immer vorsichtiger. Mehrere Male wartete sie mit diesem Schritt ab, auch unter Verweis auf die Situation in den Emerging Markets.

Jahre später gelten die Emerging Markets nicht mehr als so anfällig für einen solchen Schritt. Die Hausaufgaben seien gemacht worden. Zinsanhebungen machen diesen Ländern heute längst nicht mehr so viel aus, wie das etwa vor gut vier Jahren der Fall gewesen wäre – so die Ansicht von Analysten. Und tatsächlich: Dieser Tage hat Bernankes Nachfolgerin an der Fed-Spitze, Janet Yellen, den Märkten noch für dieses Jahr eine weitere Zinsanhebung in Aussicht gestellt und für 2018 drei weitere Erhöhungen. An den Emerging Markets perlt das ab – Angst haben sie nicht mehr vor der Fed.

Zu sehen etwa am Beispiel von Südafrika. Das mit „Baa3“ bzw. „BB+“ gerade an der Grenze von Investment Grade und Speculative Grade benotete Land brachte in der gerade abgelaufenen Woche zwei Anleihen im Dollar. Die Renditesätze, zu denen das möglich war, sind Hingucker. Für eine zehnjährige Anleihe zahlte Südafrika einen Kuponzins von 4,85 Prozent. Kleiner Vergleich: Fast exakt den gleichen Zins – nämlich knapp unter 4,80 Prozent – zahlte vor zehn Jahren im Sommer bei Ausbruch der Subprime-Krise der Bund für die zehnjährige Anleihelaufzeit (Sekundärmarktniveau). Der Triple-B- bzw. Doppel-B-Staat Südafrika steht also heute mit seinen zehnjährigen Bonds auf dem Zins-/Renditeniveau des Triple-A-Staates Deutschland vor zehn Jahren. Für das 30 Jahre laufende Papier zahlte Südafrika einen Kuponzins von 5,65 Prozent. Es bleibt abzuwarten, wo Südafrika in 30 Jahren angekommen sein wird. Kühne Prognose: Wieder auf dem Niveau des Bundes – von heute! Der Bund hat in der gerade abgelaufenen Woche eine neue 30-jährige Anleihe am Markt untergebracht. Sie ging zu einem Kuponzins von 1,25 Prozent (Durchschnittsrendite: 1,27 Prozent) an die Investoren. Scheint für Südafrika ein weiter Weg zu sein, aber das dachte so mancher vor zehn Jahren auch schon.

Aber es ist nicht nur Südafrika, dem das steigende Leitzinsniveau in den USA nichts ausmacht und das auch am Bondmarkt weiterhin recht problemlos agieren kann, will heißen von einem Käuferstreik weit entfernt ist. In der abgelaufenen Woche hat noch Argentinien angekündigt, dass in diesem Jahr zwei weitere Bonds kommen sollen. Nur die Währung ist noch nicht klar, das Land offenkundig schon – trotz Fed-Zinssteigerungen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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