Stahlknecht: Verfassungsschutz soll sich um AfD kümmern

Nach den Äußerungen des AfD-Landeschefs von Sachsen-Anhalt gegen Türken fordern Politiker, dass der Verfassungsschutz die Partei stärker ins Visier nimmt. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz und Ressortchef von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, warnte in der „Welt am Sonntag“ vor einer gefährlichen Ideologie: Es wäre daher „ratsam, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz im Verbund mit den Landesämtern die sich verfestigende Ideologie in Teilen der AfD oder der AfD in Gänze stärker in den Fokus nähme“, erklärte der CDU-Politiker. Dies gelte „im Übrigen für alle ideologischen Ränder“.

Eine tatsächliche Beobachtung der Partei lehnt Stahlknecht zum aktuellen Zeitpunkt jedoch ab. Mit Blick auf die Erkenntnisse in seinem Bundesland sagte er: „Aktuell liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz rechtfertigen würden.“ Dieser sei „nicht als politisches Instrument gedacht.“ Gefordert seien der „politische Anstand und das politische Argument“, so Stahlknecht. „Stattdessen jedes Mal reflexartig die Beobachtung durch den Verfassungsschutz als nahezu alleiniges Instrument zu fordern, ist eine politische Bankrotterklärung.“ Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, bekräftigte hingegen seine Forderung, „jene Teile der Partei unter die Lupe zu nehmen, die offen völkisch-nationalistisches Gedankengut vertreten“. Lischka sagte weiter: Teile der AfD suchten den Schulterschluss zu Pegida, zur Identitären Bewegung und zur Gruppierung „Ein Prozent“, „die allesamt fremdenfeindlich, rassistisch und in Teilen rechtsradikal sind“. Das Bundesinnenministerium erklärte auf Anfrage, dass das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz „die weitere Entwicklung der AfD aufmerksam verfolgen“, wie eine Sprecherin erklärte. Verbindungen zwischen der rechtsextremistischen Szene und der AfD seien bereits „Gegenstand der Bearbeitung durch den Verfassungsschutz“. In der „Gesamtbetrachtung“ würden der Partei AfD derzeit aber „keine extremistischen Positionen zugerechnet werden“ – sie sei daher „kein Beobachtungsobjekt des Bundesamtes für Verfassungsschutz“, so die Sprecherin. „Vereinzelte Entgleisungen einzelner Funktionsträger sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend.“ Bayern beispielsweise beobachtet bereits Funktionäre der AfD – wenn auch keine Mandatsträger – aufgrund von „Schnittmengen mit der rechtsextremistischen, der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen oder der Reichsbürger-Szene“. Das erklärte das bayerische Innenministerium auf Anfrage. Der Abgeordnete und ehemalige Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, sagte „Welt am Sonntag“: „Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz scheint berechtigt.“ Die AfD habe ihre ohnehin schiefsitzende Maske der Bürgerlichkeit nun endgültig abgelegt und zeige ihr wahres Gesicht. „Im Deutschen Bundestag sitzen Nazis. Die AfD lehnt ab, was unser Land auszeichnet, sie verachtet unseren liberalen Staat. Jeder, der jetzt noch AfD-Mitglied ist, muss sich bewusst sein, dass er dazu beiträgt, das krude Weltbild der Poggenburgs und Höckes zu verbreiten.“ Aber die AfD habe sich den falschen Gegner ausgesucht. „Unsere Demokratie ist wehrhaft“, so Özdemir gegenüber „Welt am Sonntag“. Ähnlich sehen es seine Nachfolgerin, die Grünen-Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock, und der stellvertretende Grünen-Faktionsvorsitzende im Bundestag, Konstantin von Notz. Baerbock sagte der „Welt am Sonntag“: „Seit Monaten weisen wir darauf hin, dass es in der AfD Nazis, Holocaust-Leugner, Rechtsextreme und Rassisten gibt. Das ist keine neue Erkenntnis. Die AfD hat sich bis zum heutigen Tag nie klar von diesen Personen distanziert. Bei Feinden der Demokratie ist angebracht, dass staatliche Stellen eine Überwachung prüfen. Unsere Aufgabe als Partei ist es, die AfD politisch zu stellen und Liberalität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verteidigen.“ Auch von Notz hält eine „Beobachtung der AfD vor dem Hintergrund, dass Mitglieder der AfD intensive Kontakte zu Reichsbürgern, Identitären und Holocaustleugnern pflegen oder sich gar selbst in diesen Kreisen bewegen und entsprechend aktiv sind, durchaus berechtigt“. Gleichzeitig halte er allerdings wenig davon, dem Verfassungsschutz aus Reihen der Politik Ratschläge oder gar Arbeitsaufträge zu erteilen. Mittlerweile sei aber für jeden offensichtlich: „Die Partei radikalisiert sich derzeit rasant weiter. Das haben auch die jüngsten Äußerungen von André Poggenburg noch einmal verdeutlicht. Insgesamt ist und bleibt die AfD eine Partei, die sich in Kreisen bewegt, in denen das Ziel verfolgt wird, ein nicht-demokratisches System zu etablieren. Extremisten in den eigenen Reihen duldet man wissentlich“, so von Notz in der „Welt am Sonntag“.

Foto: André Poggenburg am 11.03.2016, über dts Nachrichtenagentur

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