Studie: Wertschöpfung zahlt sich aus

Ein wesentliches Ergebnis der vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg geförderten Studie ist der signifikant positive Einfluss der unternehmensinternen Wertschöpfungstiefe auf die Gewinnsituation und Produktivität. Insbesondere Outsourcing-Aktivitäten zu ausländischen Zulieferern gilt es deshalb zunehmend kritisch zu hinterfragen. Gerade Baden-württembergische Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes setzen bereits heute auf eine überdurchschnittlich hohe eigene Wertschöpfungstiefe, sollten diese aber für Zukunftsfelder wie etwa die Elektromobilität noch weiter ausbauen. „Auch die Studie macht deutlich: Die baden-württembergischen Industrieunternehmen sind auf dem richtigen Kurs. Sie setzen auf die eigene regionale Wertschöpfung und sind auch deswegen im Wettbewerb ganz vorne dabei“, sagte Nils Schmid, Minister für Finanzen und Wirtschaft.

Das Institut für Lernen und Innovation in Netzwerken (ILIN) an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft und das Fraunhofer- ISI führten gemeinsam die Studie „Wertschöpfung lohnt – Vorteile und Notwendigkeit lokaler Wertschöpfungsketten“ durch. Im Auftrag des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft Baden-Württemberg und des Instituts für Produktionserhaltung e. V. (Infpro) wurde untersucht, wie die Wertschöpfungsketten von deutschen und baden-württembergischen Unternehmen aufgebaut sind und welche Chancen und Risiken damit einhergehen.

 

Der Leiter der Studie und des ILIN, Prof. Dr. Steffen Kinkel, fasst die Haupterkenntnis so zusammen: „Die Ergebnisse zeigen eindeutig, dass sich der Auf- und Ausbau eigener Wertschöpfung aus wirtschaftlicher Sicht lohnt und Unternehmen Gewinn- und Produktivitätspotenzial verschafft.“ Dagegen liefert der Import von Vorleistungen keinen signifikanten Potenzialbeitrag. Die Studie analysiert exemplarisch auch die damit einhergehenden Konsequenzen für das Zukunftsfeld Elektromobilität.

Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg weisen im Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Wertschöpfungstiefe auf. Mit nahezu 39 % im Jahr 2013 lag die mittlere Wertschöpfungstiefe signifikant über dem deutschen Durchschnitt. Die Auswertung der Unternehmensbefragung „Modernisierung der Produktion“ des Fraunhofer ISI von 1594 Industriebetrieben in Deutschland und 16 Experteninterviews mit Vertretern führender Unternehmen in Baden-Württemberg ergaben fundierte Einblicke in die Struktur von Wertschöpfungsketten und die daraus entstehenden Chancen und Risiken – speziell auch mit Fokus auf das Zukunftsfeld Elektromobilität.

Eine ebenfalls im Rahmen des Projekts durchgeführte Modellanalyse von Kostenstrukturdaten des Statistischen Bundesamts zeigt, dass mit einer Erhöhung der Wertschöpfungstiefe eines Unternehmens um einen Prozentpunkt eine Gewinnsteigerung um 0,2 Prozentpunkte einhergeht. Zudem werden die Gesamtfaktorproduktivität und die Arbeitsproduktivität eines Unternehmens stark positiv von der Wertschöpfungstiefe beeinflusst.

Die Studie unterstreicht weiterhin, dass kein positiver Zusammenhang zwischen dem Vorleistungsimport von Zulieferern aus dem Ausland und der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens besteht. „Kostenreduzierungspotenziale bei Fremdbezug werden durch höhere Koordinationsaufwendungen kompensiert, um die flexible Reaktions- und Lieferfähigkeit in der Lieferkette abzusichern“, erläutert Dr. Oliver Prause, Vorsitzender des Vorstands des Instituts für Produktionserhaltung e. V. (Infpro). Über die letzten Jahre ist zwar ein Zuwachs des Importanteils der Vorleistungen im Verarbeitenden Gewerbe Deutschlands zu verzeichnen, doch auch die Strategie des „local sourcing“ ist weiterhin fest verankert. Tendenziell werden niedrigere Preissegmente und große Losgrößen mit geringer Varianz in Fernost bezogen, bei kleineren Stückzahlen und kundenspezifisch variierenden Anforderungen sind jedoch Lieferanten aus Asien meist nicht flexibel genug.

Dr. Djerdj Horvat, Projektleiter am Fraunhofer ISI, fasst zusammen: „Unternehmen des Typs „local maker“ verbinden erfolgreich die Produktivitätsvorteile einer hohen eigenen Fertigungstiefe mit den Flexibilitätsvorteilen eines hohen Vorleistungsbezugs aus dem lokalen Umfeld“ (siehe Abbildung).

Die Studienergebnisse sind für die Wirtschaft auch deshalb relevant, da es in der deutschen und baden-württembergischen Automobilindustrie zukünftig aufgrund des Wandels zur Elektromobilität zu einer veränderten Wertschöpfungsstruktur kommen könnte. Zurzeit entfällt etwa ein Viertel der Wertschöpfung fossil betriebener Pkw auf den Antriebsstrang. Gerade hier liegt eine Kernkompetenz deutscher Hersteller. Zukünftig bestehen Potenziale in Deutschland und Baden-Württemberg insbesondere bei Elektromotoren, Leistungselektronik und Leichtbau. Allerdings stehen dem Schwächen in Bereichen wie Traktionsbatterie und Brennstoffzelle gegenüber. So droht bei entsprechenden Mobilitätsszenarien, die von einer starken Entwicklung in Richtung Elektromobilität ausgehen, ein inländischer Wertschöpfungsverlust der deutschen Automobilhersteller in Höhe von 19 Prozent im Vergleich zu einem konservativen Szenario. Dies entspräche nach den Erkenntnissen dieser Studie einem Gewinnreduktionspotenzial von 3,8 Prozent. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, entsprechende Aktivitäten voranzutreiben, um zukünftig ausreichend eigene Wertschöpfung für die baden-württembergischen Automobilhersteller und -zulieferer im Zukunftsfeld Elektromobilität sicherstellen zu können.

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