Größe zählt, Kommentar zur Chemiefusion Clariant/Huntsman von Sabine Wadewitz

Während sich der US-Farbenhersteller PPG am niederländischen Rivalen Akzo Nobel noch die Zähne ausbeißt, haben die Spezialchemiekonzerne Clariant und Huntsman den Menüplan für einen Zusammenschluss auf dem Tisch liegen. Die Übernahmewelle in der Chemie rollt in diesem Jahr weiter, auch wenn sich der neueste transatlantische Schulterschluss mit einem Transaktionswert von 20 Mrd. Dollar im Schatten von Fusionen wie Dow Chemical und DuPont oder den Deals im Pflanzenschutzgeschäft fast bescheiden ausnimmt.

Doch der Zwang zu Größe beherrscht auch die zweite Reihe der Chemiehersteller. Zwar kann man als Spezialitätenanbieter in Nischen und mit kleineren Mengen reüssieren, wenn man in den Segmenten führende Positionen im Markt hat. Doch in einem sich stark konsolidierenden Umfeld droht man unwiderruflich an Wettbewerbskraft zu verlieren. Die Chemie sieht sich zudem von wachsender Konkurrenz aus China gefordert, wo die Regierung dabei ist, Schlüsselindustrien im eigenen Land aufzubauen. Der Schiefergasboom hat darüber hinaus das Wettbewerbsumfeld in Nordamerika für energie- und rohstoffintensive Branchen radikal zu Lasten europäischer Konzerne verschoben. Damit entsteht Handlungsdruck.

Mit der Fusion unter Gleichen gelingt Clariant und Huntsman auf einen Schlag der Aufstieg unter die Top 3 im globalen Spezialchemiemarkt. Die Dealstruktur als reine Aktientransaktion schont die Bilanzen und erhält die Finanzierungskraft für weitere Expansionsschritte. Von Vorteil ist die regionale Ergänzung des grenzüberschreitenden Schulterschlusses, wodurch es weniger Überschneidungen in reifen Märkten geben sollte, die neuen Partner aber ihre Kräfte in Wachstumsmärkten wie China bündeln können. Nicht ohne Grund hat sich Clariant stets gegen die Übernahme durch einen westeuropäischen Konkurrenten wie Evonik gesträubt.

Für Clariant ergibt sich aus den aktuellen Bewertungen die Chance, dass ihre Aktionäre am neuen Konzern die knappe Mehrheit halten und eidgenössischer Rechtsrahmen und Governance erhalten bleiben. Doch die kulturellen Unterschiede zwischen einem Schweizer und einem US-amerikanischen Unternehmen sind groß, auch wenn es seit Jahren Kontakte zwischen dem Management gegeben hat und man die gleichen „strategischen Visionen“ teilt, wie betont wird. Eine anfangs in den höchsten Tönen gepriesene Fusion mit einem US-Konzern hat schon manches europäische Unternehmen hinterher schwer bereut.

Quelle: Börsen-Zeitung

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