Finanzmärkte

2017: Kapitalmarktausblick – alle Augen auf die USA

Nach Einschätzung der Strategen der Deutschen Bank werden Weltwirtschaft und Kapitalmärkte im Jahr 2017 maßgeblich durch politische Entscheidungen bestimmt. Ihr Augenmerk richten die Experten der Bank in ihrem heute in Frankfurt veröffentlichten „Kapitalmarktausblick 2017“ vor allem auf die Situation in den USA. „Donald Trump hat im Wahlkampf sehr deutlich Stellung bezogen. Jetzt muss er zeigen, welche Maßnahmen er als Präsident tatsächlich umsetzen kann. Klar ist, dass die US-Konjunktur von seiner Politik zumindest temporär profitieren wird“, sagte Oliver Rakau, Volkswirt bei Deutsche Bank Research. Im Mittelpunkt stünden neben einer unternehmensfreundlichen Steuerreform auch Pläne für ein umfassendes Investitionsprogramm. Nur das Ausmaß und der zeitliche Rahmen seien noch unklar.Kritisch sehen die Experten vor allem Tendenzen hin zu einer restriktiveren Einwanderungs- sowie einer zunehmend protektionistischen Wirtschaftspolitik – Entwicklungen, die auch in anderen Ländern zu beobachten sind. „In Europa sind solche Positionen nicht erst seit dem Brexit-Votum auf dem Vormarsch“, sagte Dr. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. „Sie finden insbesondere bei Menschen Zustimmung, die sich zu den Verlierern der Globalisierung zählen oder fürchten, bald zu ihnen zu gehören.“ Das Grundproblem sei die ungleiche Verteilung des in den vergangenen Jahrzehnten erwirtschafteten Wohlstands. „Tatsächlich haben Teile der Mittelschicht in vielen Industrieländern von der Globalisierung zu wenig profitiert – ihre Reallöhne sind mitunter sogar gesunken“, erläuterte Rakau.

Politik: Notwendige Reformen werden weiter verschleppt Statt gegenzusteuern und die Ursachen zu beheben, versuchen die jeweiligen Regierungen weiterhin, die größten Probleme mit geldpolitischen und fiskalischen Maßnahmen zu überdecken. „Das sind wählerfreundliche Maßnahmen. Die Politik verschleppt notwendige wirtschaftliche Einschnitte, die anfangs schmerzhaft wären“, sagte Stephan. „Es ist ein Teufelskreis: Wenn wenig produktive Unternehmen künstlich am Leben gehalten und Strukturreformen auf die lange Bank geschoben werden, führt das langfristig dazu, dass die Wirtschaft stagniert und sich die Situation verschärft.“

Volkswirtschaft: Hausgemachte Stagnation aus Angst vor Rezession Die seit Beginn der Finanzkrise hartnäckige weltweite Wachstumsschwäche wird sich fortsetzen. „Solange die Politik nicht konsequent Strukturreformen auf den Weg bringt, sehe ich keine Chancen für ein langfristiges und spürbar anziehendes Wachstum“, sagte Rakau. 2017 könnten konjunkturstützende Maßnahmen, etwa in den USA, China und Japan, die Wirtschaft zumindest regional stimulieren. Demgegenüber stehe eine schleppende Entwicklung in Europa. Zusätzlich belasten dürfte das globale Wachstum der seit der Finanzkrise stockende Welthandel. Dieser stellt das Wachstumsmodell vieler Schwellenländer – und exportorientierter Industrienationen wie Deutschland – vor Herausforderungen. Insgesamt könnte das Weltwirtschaftswachstum, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, im kommenden Jahr nach Prognosen der Deutschen Bank mit 3,5 Prozent dennoch leicht höher ausfallen als im Jahr 2016.

Europa: Viele Fragezeichen, kaum positive Impulse

Der Wirtschaft in Europa stehen turbulente Monate bevor. Italien wird Anfang Dezember ein Verfassungsreferendum abhalten. Weitere Belastungsfaktoren dürften die 2017 stattfindenden Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland sein. Auch der ungewisse Fortgang der Brexit-Verhandlungen könnte die Investitionsbereitschaft der Unternehmen weiter bremsen. Angespannte Arbeitsmärkte – insbesondere in den europäischen Peripherieländern – könnten moderat steigende Inflationsraten und die reale Einkommensentwicklung dämpfen. Positive Wachstumsimpulse scheinen nur von außerhalb Europas kommen zu können. Sollte sich das US-Wachstum beschleunigen, ohne dass gleichzeitig neue Handelsbeschränkungen aufgebaut werden, würde dies die europäische Exportwirtschaft stützen. Für die Eurozone rechnet die Deutsche Bank im kommenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent – rund 0,5 Prozentpunkte weniger als 2016. Die Prognose für die deutsche Wirtschaft liegt bei 1,0 Prozent und halbiert sich damit gegenüber den Erwartungen für das laufende Jahr.

USA: Wirtschaftliche Entwicklung maßgeblich von neuer Regierung abhängig

Werden in den USA zeitnah wichtige Punkte wie die Steuerreform und das Investitionsprogramm angestoßen, rechnen die Strategen der Deutschen Bank für 2017 mit einem spürbar anziehenden Wachstum. Zudem könnte die geplante Rückführung regulatorischer Maßnahmen, etwa im Finanz- und Energiesektor, zu einer erhöhten Investitionsbereitschaft von US-Unternehmen führen. Die Prognose der Deutschen Bank für das US-Wirtschaftswachstum 2017 beträgt 2,3 Prozent.

Schwellenländer: Kaum spürbare Fortschritte

In den Schwellenländern wird es nach Einschätzung der Deutschen Bank kaum spürbare Fortschritte geben. China baut seine Volkswirtschaft weiter um. Dadurch verlangsamt sich das Wachstum: „Aufgrund fiskal- und geldpolitischer Maßnahmen rechnen wir für 2017 dennoch mit einem Wirtschaftswachstum von starken 6,5 Prozent“, so Stephan. Für das laufende Jahr erwartet er 6,6 Prozent. Sollten die Schwellenländer Russland und Brasilien ihren Weg aus der Rezession finden, ist mit positiven Impulsen zu rechnen. Risiken bestehen vor allem in steigenden US-Zinsen und den dadurch womöglich induzierten Kapitalabflüssen sowie einer protektionistischeren Handelspolitik.

Dollar auf der Überholspur

Auch wenn die US-Notenbank in ihren Entscheidungen unabhängig agiert: Es ist noch offen, welchen indirekten Einfluss die neue Politik aus dem Weißen Haus auf die Währungshüter haben wird. „Bislang positioniert sich Trump klar gegen die Politik der amtierenden Fed-Chefin Janet Yellen. Dennoch rechnen wir für 2017 mit moderaten Zinsschritten der Fed“, sagte Stephan. Gleichzeitig dürfte die Geldpolitik anderer wichtiger Notenbanken expansiv bleiben. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Europäische Zentralbank ihr Anleiheankaufprogramm über März 2017 hinaus ausweitet. Die zunehmende Zinsdifferenz zwischen Europa und Amerika wird im Jahresverlauf zu Kapitalflüssen Richtung USA führen. Damit wird der US-Dollar gegenüber dem Euro weiter zulegen“, so Stephan. Für Ende 2017 erwartet die Deutsche Bank, dass der Euro bis auf 0,95 US-Dollar sinken kann, also unter die Parität.

Renten: Ende des längsten Bullenmarkts der Welt

In den vergangenen 35 Jahren sind die Zinsen von US-Staatsanleihen fast ständig gesunken. Damit scheint nun Schluss zu sein. Bereits in den ersten Tagen nach der US-Wahl stieg die Verzinsung 10-jähriger US-Papiere auf mehr als 2 Prozent: „Dieser Trend wird sich 2017 zunächst fortsetzen – stark steigende Kapitalmarktzinsen in den USA erwarten wir jedoch nicht“, sagte Stephan. Zwar könne Trumps Fiskalpolitik die Inflation treiben, doch dürfte auch das schwache weltwirtschaftliche Umfeld den Zinsanstieg deckeln. Zum Jahresende 2017 erwartet die Deutsche Bank ein Zinsniveau in den USA von 2,3 Prozent. Dies läge deutlich über den erwarteten Anleiherenditen, die Anleger in Deutschland oder Japan erzielen könnten. „Für die Deutsche Bank stehen US-Anleihen 2017 klar im Fokus“, so Stephan. „Zumal Euroanleger zusätzlich von Währungsentwicklungen profitieren könnten, wenn der Dollar zum Euro weiter an Stärke gewinnt.“ Doch auch Anleihen der Schwellenländer könnten wieder interessanter werden, wenn der erste Schock über die steigenden US-Renditen abklingt.

Aktien: Etwas Licht, aber auch viel Schatten für Zykliker

Nach dem Chinaschock zum Jahresanfang und der anschließenden Konsolidierungsphase konnten die Aktienmärkte der Industrieländer nach der US-Wahl zum Teil noch einmal deutlich zulegen. Die Strategen der Deutschen Bank gehen davon aus, dass im Jahresverlauf 2017 immer wieder Schwierigkeiten bei der Umsetzung der angekündigten US-Reformen auftreten werden. Dann dürfte auch die unsichere Lage in Europa wieder stärker Beachtung finden. Größere Schwankungen an den Aktienmärkten wären die Folge.

„Etwas Licht, aber auch viel Schatten sehe ich in diesem Umfeld für zyklische Sektoren“, hob Stephan hervor. Zwar dürften sich auch bei diesen Unternehmen temporär immer wieder interessante Anlagemöglichkeiten ergeben. Allerdings sind hierfür ein großes Know-how bei der Branchen- und Einzeltitelauswahl sowie ein aktives Management des Portfolios notwendig. Defensive Sektoren und Dividendentitel könnten als langfristige Basisanlagen von den Marktschwankungen profitieren: Anleger auf der Suche nach einem interessanten Rendite-Risiko-Verhältnis könnten wegen mangelnder Alternativen diese Sektoren in Erwägung ziehen.

Deutschland: Politische Unsicherheiten belasten Kurse

Der DAX ist einer der besonders zyklischen Aktienindizes weltweit. „Von umfangreichen Fiskalprogrammen, wie wir sie in den USA, China und eventuell auch in Japan erwarten, würden deutsche Unternehmen daher profitieren“, sagte Stephan. Gleichzeitig dürften die politischen Unsicherheiten in Europa deutsche Aktien jedoch belasten. Wegen der hohen Abhängigkeit vieler deutscher Unternehmen vom Export könnten mögliche US-Handelsbeschränkungen und eine schwächere Konjunktur in China zu weiteren negativen Impulsen führen. Insgesamt erwarten die Strategen der Deutschen Bank für 2017 hohe Schwankungen am deutschen Aktienmarkt. Klängen die politischen Unsicherheiten im zweiten Halbjahr etwas ab, könnten sich interessante Anlagemöglichkeiten ergeben. Stephan sieht den DAX Ende 2017 bei 11.300 Punkten.

USA: Börsen profitieren von neuer Wirtschaftspolitik

Für den US-Aktienmarkt hat sich bereits die Ankündigung der unternehmensfreundlichen Vorhaben Donald Trumps ausgezahlt: Der S&P 500 legte seit Anfang November deutlich zu. Die Deutsche Bank erwartet weiteres Potenzial für den S&P 500 und rechnet zum Jahresende 2017 mit einem Stand von 2.350 Punkten. Aussichtsreich erscheinen Finanztitel, die ihre Margen im Zuge moderat steigender Zinsen weiter verbessern dürften. Auch der US-Gesundheitssektor sollte profitieren, sofern die Deregulierung im Arzneimittelmarkt umgesetzt wird.

Immobilien: Nachvollziehbarer Boom statt Blasenbildung

Das weltweit interessante Zinsumfeld für Immobilieninvestitionen dürfte 2017 bestehen bleiben. Als Anlageziel kämen unter anderem die USA infrage: „Am Gewerbeimmobilienmarkt sorgen der robuste US-Konsum und ein intakter US-Arbeitsmarkt für positive Dynamik“, so Stephan. Für Anleger aus dem Euroraum könnte die erwartete Dollarstärke Möglichkeiten für zusätzliche Währungsgewinne eröffnen.

In Europa dürften deutsche Immobilien weiter im Anlegerfokus stehen: Die Zuwanderung und steigende Einkommen sollten den Markt stabilisieren. International herrscht Licht und Schatten, denn Märkte wie China scheinen regional bereits heiß gelaufen zu sein. „Insgesamt bietet ein international aufgestelltes und gut verwaltetes Immobilienportfolio 2017 die besten Renditeaussichten“, sagte Stephan.

Rohstoffe: Kampf ums Gleichgewicht statt schnelles Comeback

Die Notierungen für Rohstoffe dürften unter Druck bleiben. Das betrifft auch Öl. Denn nach wie vor ist es fraglich, ob die OPEC ihre Fördermenge wie angekündigt drosseln kann. Zudem wird sie die Gestaltung der Ölpreise weniger beeinflussen als früher: Sobald der Preis über die Marke von 50 US-Dollar steigt, stehen US-Förderer bereit, die entstandene Lücke zu schließen. „Hinzu kommt, dass sich die Förderbedingungen für Ölunternehmen in den USA unter Donald Trump weiter verbessern werden“, sagte Stephan. Daher sei nicht davon auszugehen, dass sich die bestehenden Angebotsüberhänge spürbar verringern werden. Gegenwind drohe zudem von einer zunehmenden US-Dollarstärke, unter der auch Gold uninteressanter werden könne. „Bei Gold sollten Anleger bedenken, dass es sich um einen vergleichsweise kleinen Markt handelt, der schon bei geringen Dollar- oder Zinsbewegungen stark schwankt“, so Stephan. Für 2017 sieht die Deutsche Bank bei Gold zwar Preispotenzial, insgesamt aber auch erhebliche Anlagerisiken. „Steigende Zinsen in den USA und ein stärkerer Dollar sprechen gegen Gold. Außerdem wirft Gold weder Zinsen noch Dividenden ab und hat den Status als Krisenwährung eingebüßt“, gab Stephan zu bedenken.

Megatrends: Anlagealternativen abseits des Alltags

Insbesondere in Zeiten schwankender Märkte kann sich für Anleger ein Blick auf langfristige Entwicklungen lohnen. Dazu zählen zukunftsweisende Technologien in der Automobilindustrie. „Klassische Autobauer werden für das Auto der Zukunft noch immer eine wichtige Rolle spielen, jedoch wird der Anteil von Techunternehmen an der Wertschöpfungskette massiv steigen“, sagte Stephan. Ein weiterer Trend sei das Internet der Dinge, also die intelligente Vernetzung alltäglicher Gebrauchsgegenstände. Mit Blick auf die Demografie werden auch die Bereiche Gesundheit und Biotechnologie für das Leben der Menschen bedeutender. Insgesamt vier Sektoren könnten von den Megatrends besonders profitieren: „Biotechnologie- und Pharmaunternehmen, Gesundheitsausrüster, Softwaredienstleister sowie Unternehmen aus der Halbleiterindustrie haben in den vergangenen Jahrzehnten, zum Beispiel am US-Aktienmarkt, ihren Anteil an der Marktkapitalisierung bereits deutlich vergrößert“, erläuterte Stephan. „Dieser Wachstumstrend wird sich fortsetzen.“

Vermögensaufteilung

Hausaufgabe für Anleger: Politische Entwicklungen beobachten Als Hauptbelastungsfaktoren für die weltwirtschaftliche Entwicklung sieht die Deutsche Bank den zunehmenden Protektionismus und die Wachstumsschwäche des Welthandels. In Kombination mit einer anziehenden Inflation könnte das in einigen Volkswirtschaften zu Stagflationstendenzen führen. Positiv auf die Kapitalmärkte dürften sich die in den USA zu erwartenden Konjunkturstützen auswirken. In Japan und China ist mit ähnlichen Maßnahmen zu rechnen. Die europäischen Länder werden sich dagegen wohl kaum auf eine abgestimmte Linie einigen.

„Aufgrund der politischen Unwägbarkeiten ist eine dynamische Steuerung des Portfolios ratsam. Dabei sollte sich das Augenmerk verstärkt auf Anlagen in den USA richten“, sagte Stephan. Zum Jahresanfang hält er einen hohen Aktienanteil für sinnvoll. „Je nachdem, wohin Trump die US-Wirtschaft steuert, kann im weiteren Jahresverlauf der Anteil anderer Regionen sukzessive erhöht werden.“ Bei Anleihen könnten Anleger zu gleichen Teilen in potenziell defensivere und riskantere Papiere investieren – auch hier mit einem Anteil von US-Anleihen. Immobilien und Liquidität runden das Portfolio ab. Wie bereits in den vergangenen Jahren dürften Rohstoffanlagen auch 2017 keine nennenswerte Rolle spielen. „Dennoch: Das Jahr 2017 kann für Anleger auch gut ausgehen“, so Stephan.

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