Intervention aus Riad, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Öltanker
Eines kann man dem neuen saudi-arabischen Ölminister Khalid al-Falih bescheinigen: Er hat ein Talent dafür, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu sagen.

Al-Falih ist es kürzlich gelungen, einen regelrechten Short-Squeeze am Ölmarkt auszulösen. Mitte August hatte die Internationale Energieagentur (IEA) mit ihrem neuesten Monatsbericht für Unruhe unter den Marktteilnehmern gesorgt, als sie überraschenderweise für das dritte Quartal erstmals wieder ein Defizit auf dem globalen Ölmarkt vorausgesagte. Dies hat die Akteure insbesondere an den amerikanischen Rohstoffbörsen überrascht, die sich auf ein Überangebot und auf fallende Preise eingestellt hatten.

In diesem Klima ließ der Minister eine verbale Bombe platzen, indem er ankündigte, es werde neue Gespräche großer Produzentenländer geben mit dem Ziel geben, gemeinsam auf eine Stabilisierung des Marktes hinzuarbeiten. Dies hat bei Hedgefonds regelrecht Panik ausgelöst, die daraufhin ihre rekordhohen Netto-Short-Positionen auf die US-Sorte West Texas Intermediate in nur einer Woche um sage und schreibe knapp 57.000 Kontrakte reduzierten. Laut Daten von Bloomberg ist dies der stärkste wöchentliche Rückgang seit 2006. Die Eindeckungen durch spekulative Marktteilnehmer haben den Preis der Benchmark-Ölsorte Brent Crude dann wieder über die Marke von 50 Dollar je Barrel getrieben. Seither hat die Notierung aber wieder leicht nachgegeben und sich vor dem Wochenende bei rund 49,60 Dollar eingependelt.

Die Spekulanten sind übrigens zumindest auf kurze Sicht der entscheidende Faktor bei Rohöl. Der vor allem an den US-Terminbörsen stattfindende Markt für „Papier-Öl“ ist mittlerweile sehr viel größer als der Markt für „physisches Öl“. Täglich wird an der Nymex sowie an anderen Börsen in WTI-Kontrakten rund hundertmal so viel Öl gehandelt, wie es von der Sorte tatsächlich gibt. Es wird zudem an Kontrakten der Sorte, die ja nur einen kleineren Teil der Weltölversorgung abdeckt, täglich fünfmal so viel Volumen gehandelt wie weltweit überhaupt Rohöl zur Verfügung steht.

Nach seiner gelungenen Verbalintervention dürfte dem saudischen Ölminister nun etwas anderes deutlich schwerer fallen: Bei den Gesprächen der Produzentenländer, die es am 26. bis 28. September in Algier geben wird, muss er seinen Hauptkontrahenten innerhalb der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), den iranischen Ölminister Bijan Zanganeh, davon überzeugen, dass Produktionskürzungen bzw. Begrenzungen auch im Interesse des Iran liegen könnten. Im April waren Gespräche mit dem Ziel der Preisstützung bereits an dem Streit zwischen Saudi-Arabien und dem Iran gescheitert. Und die meisten Analysten sehen wenig Perspektiven dafür, dass es diesmal anders sein könnte.

Während Saudi-Arabien daran gelegen ist, den Status quo zu erhalten, ist der Iran bestrebt, alte Marktanteile wieder zu gewinnen. Diese Marktanteile hatte er im Rahmen der gegen das Land verhängten Sanktionen im Atomstreit aufgeben müssen. Aktuell hat zwar der iranische Ölminister seine Teilnahme an den Gesprächen zugesagt, aber gleich darauf hingewiesen, die anderen Opec-Mitglieder müssten anerkennen, dass der Iran das Recht habe, verlorene Pfründe wieder zu gewinnen. Darauf dürfte sich Saudi-Arabien aber kaum einlassen.

Zugeständnisse sind für das Land finanziell kaum zu akzeptieren, denn die saudische Monarchie hält sich lediglich mit teuren Geldgeschenken an die unzufriedene Bevölkerung an der Macht. Somit darf erwartet werden, dass die neuen Bemühungen erneut ausgehen wie das Hornberger Schießen. Kurzfristig könnte dies dann zwar den Ölpreis erneut unter Druck setzen. Es ist aber gleichwohl nicht zu erwarten, dass wie im Frühjahr Niveaus von weniger als 30 Dollar für das Fass Brent gesehen werden. Dafür spricht die mittlerweile doch deutlich veränderte fundamentale Marktlage, wie sie die IEA – wie erwähnt – dargelegt hat.

Wenngleich Spekulanten kurzfristig die Preisbildung beherrschen, so hat sich doch gezeigt, dass längerfristig die Fundamentaldaten auf die Notierungen durchschlagen. Auf längere Sicht wird es daher Auswirkungen haben, dass die Förderung außerhalb der Opec zurückgeht, während innerhalb des Kartells kaum mehr Raum für Produktionssteigerungen besteht. Da sich die Welt aber stetig darauf zu bewegt, trotz aller Klimaziele pro Tag mehr als 100 Mill. Barrel Öl zu verbrennen, darf erwartet werden, dass der Ölpreis diese Gemengelage auch widerspiegeln wird. Im kommenden Jahr könnte Brent auf ein Niveau zwischen 60 und 70 Dollar steigen.

Quelle: Börsen-Zeitung

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert