Hartz-IV-Reform: Juso-Chef will Zumutbarkeitsregeln verändern

Bei ihrer geplanten Hartz-IV-Reform wollen die Sozialdemokraten die Zumutbarkeitsregeln verändern. „Ich sehe nicht, dass die Ausübung von Zwang irgendetwas besser macht“, sagte Juso-Chef Kevin Kühnert der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. Schon nach einem halben Jahr Arbeitslosengeld seien heute deutliche Gehaltseinbußen laut Gesetz zumutbar.

Das mache Menschen Angst. „Wir sehen: Wer keine Lust auf eine bestimmte Arbeit hat, findet Mittel und Wege, sich dem zu entledigen durch Krankschreibungen oder ähnliches“, sagte er. „Das ist für alle Beteiligten nervtötend – wir können doch kein Interesse daran haben, dass Leute schauspielerische Fähigkeiten entwickeln, um zu bekommen, was sie gerne hätten.“ Also müsse man die individuellen Bedürfnisse stärker in den Vordergrund stellen und respektieren. Auch weiterhin müsse es Mitwirkungspflichten geben. Doch wolle die SPD nicht mehr mit Eingliederungsvereinbarungen arbeiten, was immer ein wenig nach militärischem Drill klinge, „sondern wir wollen mit den Betroffenen herausarbeiten, wo sie hinwollen und wie ihnen dabei geholfen werden kann“. Kühnert erarbeitet an der Spitze einer SPD-Arbeitsgruppe mit Parteivize Manuela Schwesig Eckpunkte eines neuen Sozialstaats. „Wir sitzen derzeit quasi im Wochentakt mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und anderen zusammen, auch um die verschiedenen Sichtweisen in der SPD unter einen Hut zu bekommen“, sagte er. „Wir wollen nicht mit noch mehr Fragen aus diesem Prozess herausgehen, sondern wirklich mal beantworten, wie die SPD das in Zukunft sehen wird.“ Daher sei er auch guter Dinge, „dass alle wissen, woran sie bei der SPD sind, wenn wir im Februar an die Öffentlichkeit gehen“. Der Juso-Vorsitzende kündigte auch an, dass sich die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I künftig mehr nach den Beitragszeiten richten soll. „Über diesen Grundsatz mussten wir auch gar nicht lange diskutieren“, sagte er. „Wir wollen ein einfaches Prinzip beherzigen: Wer länger gearbeitet hat, hat länger Anrecht auf Arbeitslosengeld I.“ So wolle sich die SPD stärker an den Beitragszeiten orientieren. „Und wir kombinieren das mit dem vor längerer Zeit entwickelten Arbeitslosengeld Q: Wer eine Qualifizierungsmaßnahme aufnimmt, verlängert dadurch nochmals seinen Leistungsanspruch.“ Eine neuerliche Hartz-IV-Reform sei „zwingende Voraussetzung“ für die Erholung der SPD. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass Hartz IV bei dem Absturz der SPD in den vergangenen Jahren so etwas wie ein Korken auf der Flasche war“, so Kühnert. „Der muss erst mal runter. Solange Hartz IV das Vertrauen in die SPD unterminiert, können wir uns an anderen Stellen abstrampeln, wie wir wollen.“

Foto: Jobcenter in Halle, über dts Nachrichtenagentur

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