Kommentar: "Adieu, Vollbeschäftigung" von Eric Frey

Wien – Bei der Arbeitslosigkeit befindet sich Österreich in einer seltsamen Lage: Das Land weist die niedrigste Quote in der EU auf, aber die zweithöchste in seiner modernen Geschichte. Noch nie haben so viele Menschen einen Job gesucht, aber auch noch nie waren so viele beschäftigt. Und einiges, was Experten seit Jahren vehement fordern – bessere Kinderbetreuung, damit Mütter früher wieder arbeiten können, ein Anstieg des Pensionsantrittsalters -, wird das Arbeitslosenproblem in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen.

All das zeigt, dass es für dessen Lösung keine Patentrezepte gibt. Österreich hat in den vergangenen Jahrzehnten vieles richtig gemacht, vor allem im Bereich der Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung, aber auch die Zahlen durch Frühpensionen geschönt. Eine rigide Arbeitszeitverkürzung, wie sie in Frankreich probiert wurde, hat sich als Bumerang erwiesen. Aber auch der deutsche Weg, durch eine Kürzung der Notstandshilfen und die Schaffung eines Niedriglohnsektors die Menschen zurück in den Arbeitsmarkt zu drängen, eröffnet neue soziale Probleme, nämlich die der Millionen „working poor“, die sich Österreich lieber ersparen will.

Zustände wie in Griechenland, Spanien oder auch Italien wird es hierzulande sicherlich nicht geben. Aber unsere international bewunderte Insel der Seligen ist immer mehr den Stürmen der Globalisierung und des technologischen Wandels ausgesetzt, die den Erhalt der Vollbeschäftigung erschweren.

Was tun? Vor Ausbruch der Weltfinanzkrise haben Wirtschaftsforscher wie Wifo-Chef Karl Aiginger noch bei jeder Gelegenheit Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur gefordert, um so die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Doch nun räumt er selbst ein, dass die Wachstumsraten von früher nicht wiederkehren werden. Die für 2014 prognostizierten 1,8 Prozent entsprechen ungefähr dem durchschnittlichen Wachstumspfad der kommenden Jahre. Das sichert all jenen, die feste Jobs haben, den Lebensstandard, nicht aber den Menschen am Rande unserer Arbeitswelt.

Diese teilen sich derzeit in zwei Gruppen: die älteren Arbeitnehmer, die ab 50 aus den Betrieben herausgedrängt werden, und die schlecht bis nicht Qualifizierten.

Für die erste Gruppe gibt es Hoffnung. Schließlich haben die meisten jahrzehntelang ihre Fähigkeiten unter Beweis gestellt, und nur die wenigsten sind zu krank zum Weiterarbeiten. Eine Änderung der Unternehmenskulturen, neue finanzielle Anreize und flachere Lohnkurven sollten eigentlich ausreichen, damit trotz späterer Pensionierungen die Altersarbeitslosigkeit nicht weiter steigt.

Schlechter schaut es für all jene aus, die weder in der Schule noch im Job etwas gelernt haben. Sie werden in der Industrie von Maschinen verdrängt und im Dienstleistungssektor von Zuwanderern. Hier kann der Sozialminister zwar an zahlreichen kleinen Schrauben drehen, die Rudolf Hundstorfer gerne auflistet. Aber solange an Österreichs Schulen Migrantenkinder weniger Chancen haben als anderswo, wird der Pool der von Jugend an Unvermittelbaren kaum schrumpfen.

Und selbst wenn es wider Erwarten doch noch zur großen Bildungsreform kommt, wird die Vollbeschäftigung von einst nicht wiederkehren. Selbst wenn die Politik sich noch so bemüht, können nicht alle mit den immer härteren Anforderungen der neuen Arbeitswelt mithalten.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert