Abschiebungen nach Afghanistan sollen ausgesetzt werden

Nach dem schweren Terroranschlag in Kabul sollen Abschiebungen nach Afghanistan vorerst ausgesetzt werden. Eine entsprechende Regelung will die Bundesregierung laut eines Berichts der „Süddeutschen Zeitung“ noch am Donnerstag mit den Ministerpräsidenten der Länder vereinbaren. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatten sich zuvor auf Initiative Gabriels verständigt, dass das Auswärtige Amt eine neue Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan vornehmen soll.

Diese Lagebeurteilungen sind die Grundlage der Behörden und Gerichte für die Anerkennung oder Ablehnung von Asylbewerbern aus den jeweiligen Staaten. Nach dem Anschlag in Kabul am Mittwoch hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine geplante Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern aus Afghanistan zunächst gestoppt. Zugleich sorgte der Fall eines 20-jährigen afghanischen Berufsschülers in Nürnberg für Aufsehen, dessen Abschiebung sich Mitschüler mit einer Sitzblockade widersetzten. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte bereits am Donnerstagmittag in Absprache mit Gabriel eine neue Lageeinschätzung. Bis diese vorliege, „sind wir der Meinung, dass es keine Abschiebungen geben sollte“, sagte Schulz. Wenn die Lage dann allerdings so eingeschätzt werde, dass wieder die Möglichkeit für Abschiebungen bestehe, „dann muss im Lichte dieser Analyse entschieden werden, und zwar im Einzelfall“, sagte Schulz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zwar am Donnerstagvormittag ebenfalls eine neue Prüfung der Lage in Afghanistan in Aussicht gestellt. Von einem Moratorium der Abschiebungen war jedoch noch keine Rede. Der Anschlag vom Mittwoch sei Anlass, „noch einmal genau hinzuschauen, die Sicherheitslage immer wieder richtig zu analysieren“, sagte Merkel. „Ich sage auch Provinz für Provinz.“ Zudem solle man sich auf Flüchtlinge aus Afghanistan konzentrieren, die kriminelle Taten in Deutschland begangen hätten, und sich jeden Einzelfall genau anschauen, sagte Merkel. Ausgenommen von dem Abschiebungsmoratorium sind nach Angaben aus Regierungskreisen Straftäter und terroristische Gefährder sowie abgelehnte Asylbewerber, die sich hartnäckig einer Identitätsfeststellung verweigerten, schreibt die SZ. Der neue Lagebericht des Auswärtigen Amtes soll bis Juli vorliegen. Voraussetzung ist nach Angaben aus Regierungskreisen, dass die deutsche Botschaft in Kabul, die bei dem Anschlag vom Mittwoch schwer beschädigt wurde, wieder voll funktionsfähig ist, berichtet die Zeitung weiter.

Foto: Flüchtlinge an einer Aufnahmestelle, über dts Nachrichtenagentur

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