Gar nicht so kaputt, Kommentar zur chinesischen Wirtschaft von Norbert Hellmann

Chinas Wirtschaftsstatistiker sind „von der flotten Truppe“. Die Jahreszahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und was es sonst noch so an Wirtschaftsdatenkränzen zu winden gibt, werden sehr viel schneller vorgelegt als in den meisten Industrieländern. Angesichts der gewaltigen Turbulenzen mit China-Hintergrund, die in den ersten zwei Wochen des neuen Jahres an den Märkten regiert haben, kann man froh sein, dass die diffusen Ängste bezüglich eines immer heftigeren Wirtschaftseinbruchs in China nun einem relativ zeitnahen Reality Check ausgesetzt worden sind.

Und siehe da, wieder einmal riecht es nicht nach Untergang beziehungsweise der seit mittlerweile zehn Jahren andauernd aufs Neue prophezeiten „harten Landung“ der chinesischen Wirtschaft. Vielmehr setzt sich jene schleichende Abkühlung fort, die mit dem angestrebten Übergang zu einer stärker konsumtiv geleiteten und vom Dienstleistungssektor angetriebenen Volkswirtschaft einhergeht.

Chinas Wachstum ist im vierten Quartal mäßiger als erwartet ausgefallen und auf 6,8% zurückgeglitten; die Dezemberdaten für Industrieproduktion, Anlageinvestitionen und Einzelhandel haben sich eingetrübt. Zumindest in der ersten Jahreshälfte 2016 ist trotz neuerlicher Regierungsimpulse kaum mit einer wesentlichen Belebung zu rechnen, aber auch nicht mit Krisenzuständen. Vielmehr kommt es zu einer Verschiebung der Wachstumspole, wobei der Dienstleistungssektor um mehr als 8% wächst und dabei höchst positive Beschäftigungseffekte zeitigt, während die Industrieproduktion kaum noch über Wachstumsraten von 6% hinauskommen wird. Letzteres wiederum heißt, dass einige Sektoren in der Schwerindustrie bereits eine regelrechte Rezession durchmachen – eine für China eher ungewöhnliche Entwicklung, aber nichts, was man zum Pars pro Toto stilisieren sollte.

Aus der Sicht eines brasilianischen Rohstoffexporteurs mag Chinas Wirtschaft gerade dabei sein, völlig vor die Hunde zu gehen, aus dem Blickwinkel eines koreanischen Softwareentwicklers, der angesagte Online-Spiele oder Korean Pop Content zu vermarkten hat, könnten die China-Perspektiven gar nicht versprechender und verlockender sein. An den Weltfinanzmärkten achtet man natürlich eher auf Eisenerz- oder Kupferpreise, um sich ein Bild von China zu machen, als die Einnahmen von Werbeagenturen oder Friseursalons. Aber Erstere drohen gegenwärtig Schauergeschichten über den Zustand der chinesischen Wirtschaft zu generieren, die nicht zum Gesamtbild passen.

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