Berliner Duckmäuser, Kommentar zur Rentenpolitik von Stephan Lorz

Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Nach diesem Motto verfährt die Politik gerne – insbesondere in der Rentenpolitik. Nur einmal hatte Berlin den Mut und die Kraft aufgebracht, den Menschen die Wahrheit über den Zustand der Alterssicherungssysteme zu offenbaren und Anpassungen am Umlagesystem vorzunehmen: Die Beiträge wurden gedeckelt, das Rentenniveau nach unten geschleust und das Renteneintrittsalter auf bis zu 67 Jahre erhöht. Die damals handelnden Personen wurden vom Wähler aber abgestraft. Seither traut sich kein Politiker mehr, die älteren Mitbürger zu verdrießen. Unter dem Lobgesang von Sozialverbänden und Gewerkschaften wurden sogar viele Reformen wieder zurückgedreht.

Dass die Alterssicherungssysteme diese Belastung bislang so gut verkraftet haben, ist nur der überraschend gut laufenden Konjunktur zu verdanken und der Tatsache, dass wir uns in einer demografischen Zwischenphase befinden. Die Babyboomer sind allesamt noch in Lohn und Brot. Das gaukelt eine heile Rentenwelt vor. Aber schon bald schlägt die Demografie zurück. Und es ist das Verdienst der Bundesbank, die ökonomischen Rahmenbedingungen ungeschönt zu benennen. Im jüngsten Monatsbericht fordert sie entsprechend zum Ausgleich einen Anstieg des Renteneintrittsalters bis 2060 auf bis zu 69 Jahre. Schließlich könne es doch nicht sein, dass die Menschen immer länger leben, damit auch immer länger Rente beziehen, die Zeit ihres Erwerbslebens aber zementiert und jede Debatte darüber tabuisiert wird. Ein höheres Renteneintrittsalter ist also gar keine Benachteiligung künftiger Rentner, wie stets beklagt wird. Das Verhältnis von Beitragszeiten und Rentenbezugszeiten bleibt schlicht konstant.

Dass sich Politik und viele gesellschaftliche Gruppen nicht um Logik und Fakten scheren, musste die Bundesbank bereits einmal 2008 und 2009 erfahren. Damals hatte sie ebenfalls eine schrittweise Erhöhung des Rentenzugangsalters gefordert – und wütenden Protest geerntet. Noch vor wenigen Monaten löste das Institut der deutschen Wirtschaft mit einer ähnlichen Forderung einen regelrechten Shitstorm aus. Auch die Bundesregierung eiert bei diesem Thema herum und verschließt die Augen vor der Realität. Alle ihre Vorausberechnungen enden konsequenterweise 2030, in jenem Jahr, auf das sich die letzte große Rentenreform bezieht. Das hat seinen Grund: Danach steht der nächste Rentenschock bevor. Hätte man bloß frühzeitig Vorbereitungen getroffen, wird man einst der Politik vorwerfen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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