Ajatollah Sejjed Ali Chāmeneʾi weitere Schreibweise Ajatollah Ali Chamenei; * 17. Juli 1939 in Maschhad ist als Oberster Religionsführer seit 1989 der politische und religiöse Führer des schiitischen Iran. Eine andere Bezeichnung für sein Amt ist „Revolutionsführer“ (Rahbar-e enqelāb). Er ist damit die höchste geistliche und politische Instanz, der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte und das Staatsoberhaupt des Iran.
Chamene’i wurde als zweites von acht Kindern des Klerikers Dschawad Hosseini Chamene’i in der Stadt Maschad geboren. Ali Chamene’is Vater war ein Aserbaidschaner aus Täbris, seine Mutter stammte aus Yazd. Die Familie lebte laut offiziellen Angaben Chamene’is in wirtschaftlich sehr schwierigen Verhältnissen. Sein jüngerer Bruder ist der iranische Reformpolitiker und Publizist Sejjed Hadi Chamene’i.
Nach der Revolution war Chomeini der unbestrittene Herrscher und Staatsoberhaupt des Iran, Chamene’i gehörte anfangs nicht zur Führungsriege. Auf den „brillanten Redner mit durchdringender Stimme“ wurde Chomeini aufmerksam und ernannte Chamene’i Anfang 1980 zum Freitagsvorbeter in Teheran. Nachdem Chomeini am 3. Juli 1980 die Anweisung erlassen hatte, alle Ministerien hätten auf die Durchsetzung islamischer Kleidung bei Frauen zu achten, gab es landesweite Proteste gegen den Tschador.
Chamene’i, damals ein relativ unbekannter Mullah, äußerte sich öffentlich dazu:
„Ich will sie nicht Prostituierte nennen, denn was eine Prostituierte macht, betrifft nur sie selbst, doch was diese Frauen tun, betrifft die ganze Gesellschaft.“
Bis 1981 fielen einige Führungskräfte um Chomeini Attentaten zum Opfer (z. B. Morteza Motahhari, Mohammed Beheschti, Mohammad Dschawad Bahonar) oder beim Revolutionsführer in Ungnade (z. B. Abolhassan Banisadr, Kasem Schariatmadari). Chamene’i gelang es nun, innerhalb der Mullah-Regierung aufzusteigen. Am 2. Oktober 1981 wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. Seine Wahl stellte keine Überraschung dar, nachdem Chomeini sich auf ihn festgelegt hatte. Er erhielt 95 % aller abgegebenen Stimmen. Daneben übernahm er nach dem 30. August 1981 auch die Führung der Islamisch-Republikanischen Partei.
Am 23. Juni 1981 wurde ein Attentat auf Chamene’i verübt. Eine Bombe, die in einem Tonbandgerät versteckt war, detonierte in der Moschee, in der Chamene’i betete. Er kann durch diesen Anschlag seinen rechten Arm nicht mehr bewegen.
Am 4. Juni 1989, einen Tag nach dem Tode Chomeinis, wählte der Expertenrat Chamene’i überraschend zum neuen Revolutionsführer. Er wurde damit zur höchsten geistlichen und politischen Instanz, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und das Staatsoberhaupt des Iran. Dazu wurde die Verfassung hinsichtlich der Problematik des obersten religiösen Führers im Nachhinein geändert und durch ein Verfassungsreferendum am 28. Juli 1989 vom Volk bestätigt. Die explizit in der Verfassung genannte Bedingung, dass der religiöse und politische Führer des Iran auch der oberste Rechtsgelehrte sein muss, wurde entfernt und durch die Erklärung ersetzt, für das Amt ist geeignet, wer neben islamischer Gelehrsamkeit über angemessene politische, administrative und soziale Fähigkeiten verfügt. Da das Amt aber noch immer mit der geistigen und formal-religiösen Führung verbunden war, musste Chamene’i eine „religiöse Aufwertung“ erfahren, also den religiösen Titel Ajatollah erhalten. Zuvor bekleidete er lediglich den Rang eines Hodschatoleslam. Die Berufung wurde damals von der übrigen schiitischen Geistlichkeit nur widerwillig hingenommen.
Wie zuvor Chomeini steht Chamene’i als Oberster Rechtsgelehrter mit unumschränkten Machtbefugnissen über allen Institutionen. Er vertritt eine konservative Politik des Islamismus, die nur selten Reformen zulässt. Dabei stützt er sich auf den am 20. Februar 1980 gegründeten Wächterrat, der über alle politischen Vorgänge, Parlamentsbeschlüsse, Gesetze und die Zensur der Medien wacht und dessen Besetzung er zur einen Hälfte selber bestimmt und zur anderen Hälfte entscheidend beeinflusst. Er ernennt und beaufsichtigt die Freitagsprediger und bestimmt die Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates.
Schon im Vorfeld der iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 hatte Chamene’i eine Wahlempfehlung für den bisherigen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad ausgesprochen. Noch am Wahlabend, vor dem amtlichen Endergebnis, erkannte er den Wahlsieg an. Am 13. Juni 2009 gratulierte er im iranischen Fernsehen Ahmadinedschad zu seinem Sieg:
„Dass 24 Millionen Iraner für ihn gestimmt hätten, sei ein Anlass zum Feiern und eine Bestätigung für die Republik. […] Der Wahlausgang sei ein Beweis, dass das Volk dem psychologischen Krieg des Feindes Widerstand leiste und dass es selbständig bleibe. Er dankte dem Innenministerium, der Polizei und allen, die zum Wahlausgang beigetragen hätten.“
Aufgrund der anhaltenden Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 kündigte Chamene’i am 15. Juni eine Prüfung der Wahl durch den Wächterrat an. In der mit Spannung erwarteten Freitagspredigt, am 19. Juni, nahm Chamene’i Stellung zu den Präsidentschaftswahlen. Dabei erklärte er vor der anberaumten Wahlprüfung durch den Wächterrat die Wahl für rechtens und stellte fest, dass die iranische Republik „niemals Verrat begehen und die Stimmen der Menschen manipulieren würde“. Die Rechtsstrukturen und die Wahlgesetze im Iran würden keinen Wahlbetrug erlauben.[22] Gleichzeitig rief er alle Parteien auf, die Gewalt zu beenden,[23] und gestand ein, den Ansichten des Wahlsiegers Ahmadinedschad näher zu stehen als denen der anderen Kandidaten.[24] Bei einem Treffen mit dem wiedergewählten Präsidenten Ahmadinedschad am 7. September 2009 warnte er vor [dessen] Selbstüberschätzung mit den Worten: „Auch wenn das Votum des Volkes Quelle des Stolzes sein kann, sollte jede Selbstüberschätzung vermieden werden, weil sie eine der größten Fallen des Teufels ist.“