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Angst vor der großen Krise, Kommentar zum Ölmarkt von Christopher Kalbhenn

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In einem Punkt sind sich Strategen und Analysten weitgehend einig gewesen, als sie ihre Prognosen für das Jahr 2016 erstellten: Die Marktteilnehmer müssen sich auf anhaltend hohe, vielleicht sogar weiter zunehmende Volatilität einstellen. Nach den ersten drei Wochen des Jahres wird sich da wohl kaum noch Widerspruch regen.

Dass die Risiko-Assets quasi aus dem Stand gleich zu Beginn und auch noch derart drastisch absacken, hat niemand vorausgesagt. Aktien und Rohstoffe sind in den freien Fall übergegangen, Unternehmensanleihen, ob Investment Grade oder High Yield, verzeichnen starke Spread-Ausweitungen. Erschrecken war auch, dass nach dem südafrikanischen Rand mit dem Rubel nun schon die zweite Schwellenländerwährung in diesem Jahr einen „Flash Crash“ erlitten hat. Um bis zu 4,5% auf ein Rekordtief von 86 Rubel pro Dollar stürzte die russische Währung am Donnerstag ab, und auch in diesem Fall gab es keine richtig zufriedenstellende Erklärung für den Vorfall.

Die Stimmung lässt sich nur noch mit Angst zutreffend beschreiben. An den Märkten grassiert die Sorge vor einer weltweiten Rezession, vor einer neuen Krise im Stile des Lehman-Desasters. Geschürt wird dies von vielen Faktoren, die teilweise schon seit langem verunsichern. Die Verlangsamung des Wachstums in China, der Druck auf die Schwellenländer insgesamt, steigende Ausfallrisiken, der Verfall der Rohstoffpreise und dabei insbesondere der Ölnotierungen, die gesunkene Liquidität, die einen großen Marktunfall befürchten lässt – die Liste der Themen, mit denen sich Alpträume gestalten lassen, ist lang. Erschwerend kommt hinzu, dass der globale Bullenmarkt bereits recht betagt ist und sich auch der Konjunkturzyklus in den USA in einem fortgeschrittenen Stadium befindet. Ausgerechnet in einer Phase, in der über kurz oder lang eine Rezession in den Vereinigten Staaten beginnen könnte und zudem die Gewinne der US-Unternehmen bereits seit geraumer Zeit sinken, hat nun auch noch die Fed einen Zinserhöhungszyklus gestartet.

Doch sind die Aussichten für die Märkte und die Realwirtschaft tatsächlich so schlecht, wie die Turbulenzen der ersten drei Wochen nahezulegen scheinen? Bei genauem Hinsehen entsteht eher der Eindruck, dass der Einbruch der Risiko-Assets – jedenfalls in seinem Ausmaß – übertrieben ist und die Stimmung deutlich schlechter ist als die Lage. Wahrscheinlich müssen Erwartungen an Wachstum und Unternehmensgewinne weiter nach unten korrigiert werden und damit auch Marktbewertungen angepasst werden. Ersteres hat ja auch der Internationale Währungsfonds getan, als er kürzlich seine Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft für dieses Jahr von 3,6% auf 3,4% gesenkt hat. Damit hat er zu der Unruhe an den Märkten beigetragen. Denn es droht eine unangenehme Wiederholung. 2015 war zunächst eine leichte Beschleunigung prognostiziert worden, aus der letztlich eine geringfügige Verlangsamung geworden ist. Doch selbst wenn weitere Revisionen folgen sollten, würde die Weltwirtschaft immer noch um rund 3% wachsen. Das ist zwar nicht berauschend, aber es ist weit von einer Katastrophe entfernt.

Daher sollte die volle Hälfte des Glases mindestens ebenso intensiv beleuchtet werden wie die leere. Die Notenbanken und Regierungen stehen nach wie vor bereit, stützend einzugreifen, wie das EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag deutlich vorgeführt hat. Niedrige Leitzinsen und Staatsanleiherenditen sorgen nach wie vor für ein insgesamt günstiges Finanzierungsumfeld, auch wenn dieses sich in den ersten drei Wochen verschlechtert hat. Darüber hinaus gibt es durch die niedrigen Zinsen nach wie vor erheblichen Bedarf an höher rentierlichen Anlagen, d.h. die Nachfrage nach Risiko-Asset bleibt hoch und dürfte bei gesunkenen Aktienkursen und gestiegenen Corporate-Renditen eher steigen. Der Ölpreis wirkt wie ein Ankurbelungsprogramm, weil er bei den Unternehmen Kosten senkt und die Budgets der Konsumenten erweitert.

Darüber hinaus könnte sich der Ölpreis – auch über die technische Eindeckungswelle vom Freitag hinaus – von einem Teil der Verluste erholen, die er in den zurückliegenden anderthalb Jahren erlitten hat, was eine Erholung der Risiko-Assets zur Folge haben könnte. Peter Oppenheimer, Chief Global Equity Strategist von Goldman Sachs, erklärte in der gerade abgelaufenen Woche auf der Global Strategy Conference der Bank, dass es in dem schwankungsintensiven Jahr 2016 auch Erholungsbewegungen geben wird und eine Ölpreiserholung zu den potenziellen Auslösern einer Stabilisierung der Märkte zählt.

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