Sachverständige kritisieren schlechte Datenlage bei Corona-Politik

In seiner Evaluierung der Corona-Politik in Deutschland übt ein interdisziplinärer Sachverständigenausschuss tiefgreifende Kritik an den politischen Entscheidungsträgern und dem Robert-Koch-Institut (RKI). Das berichtet die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf den 165-seitigen Bericht, der am Freitagmittag veröffentlicht werden soll. Demzufolge wird die Erhebung und der Umgang mit Daten, die „unzureichende Forschungsarbeit“, die öffentliche Kommunikation sowie das „Zustandekommen der Grundrechtseinschränkungen“ bemängelt.

Zudem kritisieren die 18 Ratsmitglieder die „mangelhafte“ Corona-Datenlage in Deutschland, die der Grund dafür sei, dass man die meisten von der Politik verordneten Maßnahmen nur unvollständig habe bewerten können. „Während in anderen Ländern Möglichkeiten zur Einschätzung der Wirkung von nicht-pharmazeutischen Maßnahmen genutzt wurden, ist eine koordinierte Begleitforschung während der Corona-Pandemie in Deutschland weitgehend unterblieben“, heißt es in dem Report. Es gebe keinerlei Forschungskonzept, um „auf Grundlage besserer Daten und darauf aufbauender Analysen die anstehenden Entscheidungen in der Pandemie zu fällen“.

Seit vielen Jahren sei klar, dass die Wirkung von einzelnen Maßnahmen nicht erforscht sei. Trotzdem habe man nichts unternommen, um an diesem Zustand etwas zu ändern – bis heute. Dabei, so die Sachverständigen, ist das RKI laut Infektionsschutzgesetz „die zentrale Forschung s- und Referenzeinrichtung für Infektionskrankheiten“, in der „die Maßnahmen des Infektionsschutzes erforscht“ werden.

„Diese Institution stünde bei der Lösung des identifizierten Daten- und Studienproblems somit auch selbst in der Pflicht.“ Vor dem Hintergrund der Datenlage sei eine Kosten-Nutzen-Analyse der Maßnahmen gar nicht erstellt worden. Im Blick auf Lockdown-Maßnahmen wie Ausgangssperren und Geschäftsschließungen heißt es, ein Urteil, ob und welche Maßnahmen(-pakete) wie stark und zuverlässig wirken, sei nicht möglich.

In der Bewertung heißt es: „Je länger ein Lockdown dauert und je weniger Menschen bereit sind, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer ist der Effekt und umso schwerer wiegen die nicht-intendierten Folgen.“ Auch bezüglich 2G/3G-Regelungen treffen die Sachverständigen keine verbindlichen Aussagen, legen angesichts der immer weiter nachlassenden Schutzwirkungen der Impfungen im Blick auf Ansteckungen allerdings nahe, dass auch Geimpfte von der Testpflicht nicht ausgenommen werden sollten. Was Schulschließungen angeht, so heißt es, der genaue Effekt auf die Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus sei „trotz biologischer Plausibilität und zahlreicher Studien weiterhin offen“, unter anderem, weil die Effekte der Einzelmaßnahmen nicht evaluiert werden könnten.

Das Maskentragen in Innenräumen hingegen bewertet die Kommission als positiv. Allerdings: „Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar.“ Ein gutes Zeugnis stellt der Rat der Politik hinsichtlich dem Umgang mit wirtschaftlichen Folgen der Pandemie aus.

Bund und Länder hätten „frühzeitig reagiert und große finanzielle Anstrengungen unternommen, um gegenzusteuern“. Trotz bislang beispielloser Hemmnisse des Wirtschaftslebens sei es nicht zu einem so starken Einbruch der Wirtschaftsleistung gekommen wie in der großen Finanzkrise im Jahr 2008. Der Bericht des Sachverständigenrats wird am Freitagmittag in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt. (dts Nachrichtenagentur)



Foto: Menschen mit Maske, über dts Nachrichtenagentur

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