Baustellenlärm – was muss geduldet werden und was nicht?

Baustellen gibt es in Deutschland praktisch an jeder Ecke. Es entstehen neue Wohnungen, Brücken werden saniert, Straßen erneuert oder Gebäude abgerissen, um Platz für Neues zu machen. Eines haben alle gemeinsam: Die genervten Anwohner sind verstärkt dem Lärm und Schmutz ausgesetzt. Doch was müssen betroffene Bürger hinnehmen und was nicht?

Der Lenz ist gekommen und mit ihm die Baustellen

Kaum sind die ersten Sonnenstrahlen da, kommen mit ihnen der Krach und die unzähligen Baustellen wieder. Der tägliche Dreck, der Baustellenlärm wie Bagger, Bohrer und Betonmaschinen in unmittelbarer Nachbarschaft sind nur schwer zu ertragen. Gemütlich auf dem Balkon entspannen oder ausgiebig lüften? Daran ist gar nicht zu denken.

Ein gutes Beispiel ist München. In der bayerischen Landeshauptstadt wird überall gebaut. In Altschwabing werden Häuserzeilen saniert, in Bogenhausen und am Nockhergberg entstehen ganze Stadtviertel neu. Der Ausbau der S-Bahn findet am Marienhof statt. Selbst in den Städten im Speckgürtel gibt es etliche Neubau-Maßnahmen, wie Neubaugebiete und das zum Teil sogar in der Nacht. Nicht viel besser geht es den Anwohnern in Berlin, Hamburg, Frankfurt und Köln. Die Bürger stehen in vielen Kommunen Deutschlands Kopf aufgrund des Baulärms, dem Staub und Schmutz, den sie aushalten müssen. Nicht nur über die Woche, sondern sogar auch am Samstag, in der Nacht – rund um die Uhr. Was aber können genervte Anwohner tun und was müssen sie notgedrungen akzeptieren?

Sicherlich muss gebaut werden – „aber warum ausgerechnet hier“?

Das gerade grundsätzlich ein gesellschaftlicher Konsens besteht, dass mehr Wohnraum benötigt wird, das ist klar. Doch nur solange das nicht direkt in der Nachbarschaft der Fall ist. Jeder Bürger will den Komfort guter Anbindungen an die Verkehrswege genießen, doch bitte nicht die Schienen oder Straße direkt vor deren Haustür oder Fenster. Oft sind diese Ablehnungen in Bürgerinitiativen gebündelt, die von den Soziologen als „Nimby“-Haltung bezeichnet werden, was die Kurzform von „Not in my backyard“, also nicht vor meiner Tür ist.

Radikaler ist die „Banana“-Bewegung: Build absolutley nothing anywhere near anyone. Das läuft darauf hinaus, dass bitte niemals dort gebbaut werden soll, wo Menschen leben. Der Sprecher des Deutschen Mieterbundes Ulrich Ropertz, Sprecher des Nachbarschaftsverhältnisses, bestätigt, dass Baulärm hohe Anforderungen an das Nachbarschaftsverhältnis stellt. Doch komplett zu verhindern sind Bauprojekte in den wachsenden Städten nicht.

Baulärm ist unvermeidbar, aber…

….dennoch müssen betroffene Nachbarn sich nicht alles gefallen lassen, heißt es vonseiten Christian Fabris, Ingenieur und Experte für Baulärm beim Umweltbundesamt. Ein jeder hat das Recht darauf, dass die Baustellenbetreiber in Zusammenarbeit mit den Bauaufsichtsbehörden den Krach auf ein Mindestmaß beschränken und die Abläufe der Baustelle entsprechend einplanen. Dafür wurde vom Gesetzgeber 1970 die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift“ (AVV) zum Schutz gegen Baulärm erlassen. In dieser werden maximale Lärmwerte vorgegeben, die sogenannten Immissionsrichtwerte.

Es gelten dabei unterschiedliche Grenzwerte, je nach Tageszeit, Gewerbe-, Wohn- oder Mischgebiet. Zudem sind die Bauherren, – Unternehmer und Bauleiter verpflichtet möglichst Lärm arme Baumaschinen zu nutzen und auch bei der ​mobilen Stromversorgung​ darauf zu achten, dass diese so leise wie möglich sind. Der Einsatz der Maschinen ist ebenfalls effizient zu planen, der Krach muss bestmöglich abgeschirmt werden und notfalls muss auf mobile Schallschutzwände zugegriffen werden.

Was ist erlaubt?

Bewohner, die in Gebieten leben, in denen fast nur Wohnhäuser stehen, müssen damit leben, dass auf einer Baustelle von morgens 7 Uhr bis am Abend um 20 Uhr gebaut wird. Mittagsruhe gibt es nicht. Laut AVV darf der Baulärm von der Baustelle tagsüber einen Dauerschallpegel von maximal 55 Dezibel nicht überschreiten und das auch am Samstag. Fachmann Fabris erklärt, dass dies etwa mit Gewerbelärm zu vergleichen und einigermaßen erträglich ist. Da der Richtwert in bestimmten Bauphasen jedoch nicht immer einzuhalten ist, darf noch eine Toleranz von 5 Dezibel darauf gepackt werden. Doch lauter darf es im Wohngebiet nicht werden.

In der Nacht muss es in der Zeit von 20 Uhr bis 7 Uhr leiser zugehen. Mehr als 40 Dezibel plus Toleranz sind dann nicht erlaubt. Grundsätzlich ist Nachtarbeit erlaubt und daran kann niemand etwas ändern.

Baulärm und das Mietrecht

Besonders Baulärm in der Nachbarschaft stellt im Mietrecht einen häufigen Grund für eine Mietminderung dar. Dieser Anspruch kann sogar dann entstehen, wenn der Lärm nicht verschuldet wurde. Das heißt, dass der Betroffene unter Umständen auch bei einer Lärmbelästigung durch eine Baustelle die Miete mindern darf.

Maßgeblich für das Entstehen des Anspruchs auf Mietminderung ist, dass der vertragsgemäße Gebrauch der Wohnung durch den Baulärm eingeschränkt wird. Aber dennoch ist Vorsicht geboten, vor einer übereilten oder überhöhten Mietminderung. Wusste der Mieter bspw. vor Vertragsabschluss von den Bauarbeiten oder musste er zu diesem Zeitpunkt damit rechnen, dann darf er die Miete in dem Fall nicht mindern. Des Weiteren kann die Lärmbelästigung durch eine Baustelle auch zum allgemeinen Lebensrisiko gehören, bspw. wenn derartige Bauarbeiten ortsüblich sind. Auch in diesen Fällen ist in der Regel eine Mietminderung ausgeschlossen.

Es gibt kein Patentrezept, wie entnervte Anwohner mit der Belastung umgehen können, doch die Bauherren können etwas tun: Zum einen sollten sie die Nachbarschaft besser informieren, wie bspw. das Tiefbauarbeiten in der kommenden Woche anstehen und dass das schlimmste dann vorbei ist.

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