Andreas Schnauder: Kommentar zu Zypern und zur Schuldenkrise

Wien – Der Aufschrei ging von Zypern durch die Welt: Die ursprünglich geplante Zwangsabgabe auf alle Einlagen wurde als unsozial und dilettantisch verteufelt, noch dazu untergrabe sie das Vertrauen in die Sicherheit der Ersparnisse. Darüber kann man trefflich streiten. Unstrittig ist hingegen, dass das Schuldenproblem keine Spezialität einiger Randstaaten der Eurozone darstellt. Vielmehr muss sich die internationale Staatengemeinschaft langsam, aber sicher Gedanken machen, wie sie die Schieflage der öffentlichen Haushalte in den Griff bekommen will. Davon ist, abgesehen von den Floskeln, wonach sich Sparen und Wachstum nicht gegenseitig ausschlössen, wenig zu hören. Faktum ist: In den Industriestaaten steigt die Verschuldung heuer auf 111 Prozent der Wirtschaftsleistung und nähert sich damit gefährlich nahe dem während des Zweiten Weltkriegs erzielten Höchstwert von 116 Prozent – mit dem Unterschied, dass die Wachstumsraten der Nachkriegszeit heute höchstens von Schwellenländern erreicht werden können, nicht aber von Europa, den USA oder Japan. Das führt schon zum nächsten Problem: Die Extraprämie, die die Regierungen in Form von Negativzinsen einstreifen, wird zum Erreichen eines erträglichen Standes der Verbindlichkeiten nicht ausreichen. Da müsste die Inflation die Verzinsung der staatlichen Kreditaufnahme schon stark übertreffen. Es zirkulieren Berechnungen, wonach diese negativen Realzinsen über zehn Jahre bei mindestens minus fünf Prozent liegen müssten, um nachhaltige Schuldenniveaus zu erreichen. Und selbst diese Form der schleichenden Enteignung wäre angesichts der im Unterschied zur Nachkriegszeit vorhandenen Mobilität des Kapitals kaum umsetzbar. Somit steigt die Gefahr von Zwangsmaßnahmen, die überfallsartig verhängt werden (müssen). Und da kommen eben wieder drastische Vermögensabgaben ins Spiel, bei denen es tatsächlich viel zu holen gibt. Dazu wird wohl eine seit längerem fertige, aber (warum nur?) immer noch unveröffentlichte Studie der Europäischen Zentralbank einen Beitrag leisten. Nach den bisherigen Ergebnissen einiger nationaler Notenbanken kann man davon ausgehen, dass die durchschnittlichen Haushaltsvermögen in Europa in der Gegend von 100.000 Euro liegen. In Summe machen die Ersparnisse der Privaten in der Eurozone 18 Billionen Euro aus. Boston Consulting hat errechnet, dass man davon ein Drittel kappen müsste, um ein erträgliches Schuldenniveau zu erreichen. Das zeigt schon, von welchen Dimensionen gesprochen wird, auch wenn diese Variante äußerst unwahrscheinlich erscheint. Doch auf eines sollte man gefasst sein: Negativzinsen, Vermögensbesteuerung und weitere Schuldenschnitte beziehungsweise eine Mischung aus diesen Maßnahmen werden eher früher als später erforderlich sein. Somit rächt sich, was die Mainstream-Politik zum Maß aller Dinge erklärt hat: Alles zu retten, was zu retten ist. Mit Konjunktur- und Bankenspritzen wurden Billionen an Schulden aufgetürmt, viele Probleme aber nicht behoben. Die Zeche dafür werden auf jeden Fall die Vermögenden zu zahlen haben. Sie wissen es nur noch nicht. Das Tauziehen um die Rettung Zyperns hat nun erstmals klargemacht, dass es kaum Alternativen gibt – zumindest keine, die nicht anderweitige Kollateralschäden hinterlassen.

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