Wie Autohändler digital und analog ihre Marktmacht stärken

Die Zeiten für Deutschlands Autohändler werden härter: Die Wirtschaft stagniert, ihre Margen gehen zurück, die Zinskosten steigen. Dazu kommt die wachsende Konkurrenz aus dem Internet. Doch statt zu verzagen, sollten Händler besser die Chancen nutzen, die in der Kombination aus Onlineshops, Verkauf in Megastores und maximaler Kundenzentrierung liegen.

Wer sein Auto liebt, der … sucht und kauft zunehmend im Internet. Dieses Fazit zog die Management- und IT-Beratung MHP, als sie im Frühjahr 2023 die dritte Auflage der alle zwei Jahre erscheinenden „Online Car Sales Studie“ vorlegte. Ergebnisse: 22 Prozent der Befragten kauften ihr Auto online, im Jahr 2020 waren es erst neun Prozent gewesen. 85 Prozent der Händler wollen zudem in den nächsten zwei Jahren mehr in den Online-Autoverkauf investieren. Vor dem Hintergrund, der sich stetig wandelnden Kundenanforderungen ist es für Autohändler essentiell, eine klare Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Die gesamte Prozesskette im Autohaus muss sich daran ausrichten. Der Direktkauf verliert an Bedeutung – Leasing-, Abo- und Finanzierungsmodelle legen zu.

Das Autohaus bleibt zentraler Anlaufpunkt für Kunden

Doch zugleich zeigt die Studie auch: Bei aller Entwicklung hin zum digitalen Vertrieb, ist und bleibt das Autohaus der zentrale Kaufort. Und das gilt insbesondere und vielleicht sogar etwas überraschend für die jüngeren Vertreterinnen und Vertreter der „Generation Z“.

Das klassische Autohaus mit Fähnchen vor der Einfahrt und windigen Verkäufern mag zum Glück tot sein. Es lebe das Autohaus der Zukunft – größer, umfassender, mit einer Vielzahl an Fahrzeugtypen und Marken und maximaler Kundenzentrierung der Berater und Verkäufer.

Der Autohandel erlebt derzeit wie fast alle Branchen eine Zeitenwende. Aus dieser werden, das ist das Fazit der Studie von MHP, jene Händler gestärkt hervorgehen, die die analoge Welt am besten mit der neuen digitalen Welt vereinen können. Händler, die neben einem gut ausgebauten Internetangebot mit einer klaren User Experience, kurzen Ladezeiten und selbsterklärenden Websites weiter ein stationäres Geschäft betreiben, haben die besten Chancen am Markt.

Handel muss Kundenwünsche ernster nehmen als früher

Gerade Neuwagen und hochwertige Gebrauchte sind Produkte, die Menschen selten einfach blind aus dem Webshop kaufen. Die Menschen wollen sich digital informieren, dann aber in der Regel die teuren Autos vor Ort in Augenschein nehmen, den Lack prüfen, das Lenkrad in den Händen halten, einen Blick in den Fonds, den Motor- oder den Kofferraum werfen. Und diese Wünsche gilt es vom Handel zu respektieren und ihnen maximal entgegenzukommen.

Eng wird es vor allem für kleine Händler mit wenig Auswahl. Wer sich als Kunde die Mühe macht, ins Autohaus zu fahren, möchte eine möglichst große Auswahl vor Ort vorfinden. Dazu gehören nicht nur viele verschiedene Fahrzeugtypen, sondern auch Autos verschiedener Hersteller. Damit ist vorhersehbar, dass der Trend hingeht zu weniger, aber dafür wesentlich größeren und schickeren Giga- oder Megastores – auch und gerade im Bereich der Gebrauchtwagen in Deutschland. Und dort, in den Stores der Zukunft, können führende Händler dann ihre größte Trumpfkarte ausspielen: die kundenzentrierte Beratung. Autos werden immer komplexer und erklärungsbedürftiger. Selbst Fahrzeuge der Mittelklasse enthalten bereits in den Standardausführungen unzählige digitale Assistenten, die potenziellen Käufern erklärt und schmackhaft gemacht werden sollten. Der Autokauf ähnelt da immer stärker dem Kauf eines hochwertigen Smartphones. Von außen sehen die Autos immer ähnlicher aus, die Unterschiede zeigen sich erst bei genauerer Betrachtung unter der Haube, im Innenraum, bei den digitalen Services und letztlich der Software eines Fahrzeugs. Also Dingen, die im Internet allein schwer zu vermitteln sind.

Der Traum vom europaweiten Netz aus Gigastores

© Matthias Prußeit

Wie selbst aus kleineren Händlern mit maximaler Kundenzentrierung und Topservice Megaplayer werden können, hat Matthias Prußeit in den vergangenen Jahren beispielhaft vorgemacht. Mit mehr als 70 Mitarbeitern führt er heute drei Autohäuser in Baden-Württemberg. Jahresumsatz aktuell: rund 25 Millionen Euro.

Prußeit verfolgt ein klares Konzept: „Wir kaufen und verkaufen Gebrauchtwagen und Leasingrückläufer. Unser Bestand umfasst rund 500 Fahrzeuge. Aus diesem Grund können wir jedem Kunden ein Fahrzeug bieten. Darüber hinaus hat der Kunde massive Vorteile beim Fahrzeugpreis sowie den Finanzierungskonditionen. Zudem wickeln wir bereits fast 20 Prozent aller Geschäfte online ab. Auch die Zulassung und Lieferung in jedes Bundesland kann durch uns erfolgen.“ Doch mit dem Erreichten gibt sich der Selfmade-Unternehmer nicht zufrieden. Prußeit träumt von einem europaweiten Netz von Gebrauchtwagen-Gigastores.

Seine Erfahrung und sein Wissen gibt er auch an andere Händler weiter: in einer digitalen „Masterclass“. Denn hybrides Verkaufen will gelernt sein.

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