Die anstehenden Tarifverhandlungen zwischen den Gewerkschaften, dem Bund und den Kommunen stehen unter besonderer Beobachtung. Es geht um die Einkommen von mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten in Bereichen wie dem öffentlichen Dienst, dem Verkehrswesen und den Kindertagesstätten (Kitas). Diese Verhandlungen könnten weitreichende Folgen für den Alltag von Hunderttausenden Menschen haben.
Forderungen der Gewerkschaften
Die Gewerkschaften, allen voran ver.di und der Beamtenbund dbb, haben weitreichende Forderungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst aufgestellt. So verlangen sie eine Erhöhung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat. Darüber hinaus fordern sie eine Anhebung der Ausbildungsvergütungen sowie Verbesserungen bei Urlaub und Arbeitszeiten. Aus Sicht der Gewerkschaften ist dies angesichts der hohen Inflationsraten und der steigenden Lebenshaltungskosten dringend notwendig. „Unsere Mitglieder müssen von ihrem Gehalt leben können“, betonte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke. Die Beschäftigten hätten in der Corona-Pandemie Außerordentliches geleistet und verdienten faire Löhne.
Position von Bund und Kommunen
Auf der anderen Seite stehen die Arbeitgeber, also der Bund und die Kommunen, die die Forderungen der Gewerkschaften als zu hoch einstufen. Sie verweisen auf die angespannte Haushaltslage aufgrund der hohen Staatsschulden und der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise. Zudem befürchten sie, dass allzu hohe Tarifabschlüsse die Inflation weiter anheizen könnten. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, warnte davor, dass hohe Gehaltserhöhungen im öffentlichen Dienst zu Stellenstreichungen und Leistungskürzungen führen könnten. „Die Kommunen haben nicht unbegrenzt Spielraum“, sagte Landsberg. Ähnlich äußerte sich auch der Vertreter der Bundes-Arbeitgeber, Innenminister Horst Seehofer.
Mögliche Eskalation der Tarifauseinandersetzung
Angesichts der unterschiedlichen Positionen ist eine Eskalation des Konflikts durchaus möglich. Die Gewerkschaften haben bereits mit Warnstreiks gedroht, sollten die Arbeitgeber ihren Forderungen nicht nachkommen. Betroffen wären dann vor allem der öffentliche Nahverkehr, Kitas und andere kommunale Einrichtungen. Sollte es tatsächlich zu solchen Arbeitsniederlegungen kommen, würde dies den Alltag vieler Menschen stark beeinträchtigen. Eltern müssten sich um alternative Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder kümmern, Pendler säßen möglicherweise fest. Die Auswirkungen könnten sich über Tage und Wochen hinziehen, sollten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht zeitnah einigen.
Kompromisssuche unter Zeitdruck
Vor diesem Hintergrund steht die zweite Tarifrunde unter besonderer Beobachtung. Beide Seiten stehen unter Druck, einen Kompromiss zu finden, der die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt, ohne die ohnehin angespannten öffentlichen Haushalte übermäßig zu belasten. Zeitgleich laufen auch Verhandlungen über Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie sowie im Einzelhandel. Sollten sich hier ähnliche Konflikte entwickeln, könnte dies zu einer Eskalation des gesamten Tarifjahres 2023 führen. Viele Beobachter sehen daher die anstehenden Wochen als wegweisend für die weitere Entwicklung der Arbeitskämpfe in Deutschland. Letztlich wird es darauf ankommen, ob Bund, Kommunen und Gewerkschaften einen Weg finden, die berechtigten Forderungen der Beschäftigten mit den finanziellen Möglichkeiten in Einklang zu bringen. Nur so lässt sich eine weitere Zuspitzung des Konflikts vermeiden, der am Ende alle Beteiligten schädigen würde.
