Es ist heute schon fast Gang und Gäbe, dass ein Sachverständiger zurate gezogen werden muss. Dabei handelt es sich nicht nur um Privatleute, die einen Sachverständigen benötigen, sondern selbst Unternehmen, Regierungen und Parlamente des Bundes und Länder nutzen die Dienste der Sachverständigen auf beratender Ebene.
Der Sachverständige zur Aufklärung der tatsächlichen Sachverhalte
Vor Gericht wird ein Sachverständiger zur Aufklärung der tatsächlichen Sachverhalte benötigt, damit diese im Anschluss juristisch richtig eingeordnet werden können. Auch Versicherungen wenden sich an Sachverständige, für die Schadensvermittlung und Schadensbewertung. Bei den Unternehmen werden die Dienste genutzt, um berechtige Ansprüche geltend zu machen und um unberechtigte abwehren zu können. Der Privatmann ist auf einen Sachverständigen angewiesen, wenn er beispielsweise einen Bauschaden nachweisen möchte.
Wird ein Sachverständiger zur Erledigung eines Privatauftrages gesucht, ist entweder der Weg über die zuständige Bestellungsbehörde, wie beispielsweise der Industrie- und Handelskammer ratsam oder über eine Sachverständigenliste. Sicherlich werden auch über die „Gelben Seiten“ der Telefonbücher Sachverständige vermittelt oder über die Google Suche, aber diese bieten keine Gewähr für die Vollständigkeit der Angaben, da die Aufnahme der Sachverständigen dem Zufallsprinzip unterliegt und auch von der Aufnahmewilligkeit des Kunden abhängig ist. Zudem kann dem Telefonbuch zumeist nicht entnommen werden, ob der Sachverständige öffentlich bestellt ist oder welches Sachgebiet er abdeckt.
Im Gegensatz zu der gerichtlichen Beauftragung eines Sachverständigen muss ein Privatmann mit diesem einen Vertrag schließen. Dabei finden nach Auffassung des BGH die Vorschriften über den Werkvertrag Anwendung. Ein solcher Vertrag muss allerdings nicht schriftlich geschlossen werden, aber in Hinsicht auf die Beweislage bei späteren Streitigkeiten dennoch schriftlich geschlossen werden.
Gerichtsverfahren mit Sachverständigen vor dem Sozialgericht
Jährlich werden insgesamt rund 395.000 Sachverständigengutachten vor Gericht in Deutschland vorgelegt. Damit führen die Gutachten bei den Familiengerichten die Statistik mit rund 270.000 an. Zivil-, Arbeits-, Finanz- und Verwaltungsgerichte weisen einen Bedarf von rund 30.000 Gutachten auf. Interessant ist die Zahl der Gutachten vor den Sozialgerichten, denn hier werden jährlich 95.000 Gutachten vorgelegt.
2014 wurde sage und schreibe alle 24 Minuten eine Hartz IV Klage eingereicht. Hunderttausende von Klagen gegen die Jobcenter bescherten den Sozialrichtern viel Arbeit, aber zugleich einen erheblichen Zuwachs an Aufmerksamkeit. Bei einer Zahl von rund 4,3 Mio. Menschen die Hartz IV in dem Jahr bezogen ist das eine immense Menge. Die Statistiken besagen das 2017 durchschnittlich 4,4 Mio. Menschen Hartz IV empfangen werden – womit die Klageflut sicherlich nicht abreißen wird.
Bereits zu Beginn 2015 zog die Präsidentin des Sozialgerichts, Sabine Schudoma, eine erschreckende Bilanz von 10 Jahren andauernden Hartz IV Klagewesens: Insgesamt wurden 215.527 Verfahren zur Konfliktbewältigung zwischen Jobcentern und Kunden bearbeitet und das bedeutet statistisch gesehen eine Verfahren alle 24 Minuten!
Bei Widerspruch liegt die Erfolgsquote bei einem Drittel
Im Jahreswechsel von 215 zu 2016 zeigte eine statistische Erhebung zu Widerspruchsverfahren gegen Hartz IV Bescheide auf, dass rund 35 % der Widersprüche ganz oder teilweise zu Gunsten der Hartz IV Empfänger ausgehen. Aufgrund der Quote von rund einem Drittel positiver Entscheide sollte der Leistungsbezieher grundsätzlich seinen Bescheid prüfen oder überprüfen lassen.
Für einen fehlerhaften Hartz IV Bescheid seitens des Jobcenters gelten eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung sowie fehlerhafte Rechtsanwendung als häufigste Ursache. In den meisten Fällen bezieht sich das auf die Anrechnung des Einkommens sowie des Vermögens, der Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Leistungskürzungen durch Sanktionen.
Das Sachverständigengutachten am Sozialgericht
Wird von dem Sozialgericht auf Grundlage des Klägerfragebogens ein Ermittlungsbedarf in medizinischer Hinsicht gesehen, dann wird es einen ärztlichen Sachverständigen mit einem Beweisbeschluss beauftragen und formuliert zugleich die Fragen für ihn. In der Regel ist ein ärztliches Sachverständigengutachten in einem Sozialgerichtsverfahren sehr umfangreich und muss den Standards der wissenschaftlich-medizinischen Lehrmeinung entsprechen. In dem Gutachten werden von dem Gutachter die Beweisfragen des Gerichts beantwortet.
Sollte die klagende Partei nicht mit dem Ergebnis des eingeholten Gutachtens einverstanden sein, dann kann diese einen Antrag auf ein sogenanntes Privatgutachten stellen. In dem Fall muss das Sozialgericht dann von einem bestimmten Arzt, der benannt werden kann, ein weiteres Gutachten einholen. Allerdings muss die klagende Partei in dem Fall selbst einen Vorschuss zahlen, der nur dann zurückerstattet wird, wenn das Gutachten zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen hat.
Beim medizinischen Gutachter handelt es sich um einen Beruf mit Verantwortung. Er erstellt nicht nur Gutachten für Jobcenter, sondern auch für Unfallversicherungen und Pflegekassen beispielsweise. Ein jeder approbierte Arzt kann durch ein Gericht dazu verpflichtet werden, ein Gutachten zu erstellen. Die Ablehnung eines solchen Gutachtens ist nur in wenigen Ausnahmefällen möglich: Beispielsweise, wenn der Sachverständige, mit dem zu Begutachteten befreundet ist oder in einem verwandtschaftlichen Verhältnis steht. Allerdings muss hier unterschieden werden, denn nicht jeder Arzt bzw. Gutachter kann alle medizinischen Bereiche abdecken. Selbstverständlich fließen auch Vorbefunde mit in die Begutachtung ein. Auf jeden Fall muss der Sachverständige den Betroffenen selbst untersuchen und zudem die Anamnese, also die Vorgeschichte mit diesem abklären. Wichtig ist auch, dass der Gutachter, nicht nur über fachmedizinische Kenntnisse verfügt, sondern auch ein gewisses Maß an versicherungsrechtlichen Grundkenntnissen im Sachverständigenberuf aufweist.

