Steuern statt Strudeln: Wie Führung in unsicheren Zeiten wieder Wirkung entfaltet

Steuern statt Strudeln: Wie Führung in unsicheren Zeiten wieder Wirkung entfaltet

Führung fühlt sich oft an wie Steuern im dichten Nebel. Märkte wandeln sich schneller als Planungsrunden, Belegschaften erwarten Beteiligung statt Ansagen, und gleichzeitig steigt der Druck, Ergebnisse zu liefern. In vielen Unternehmen entsteht so ein gefährlicher Reflex: Wer die Kontrolle verliert, erhöht erst einmal die Kontrolle. Mehr Meetings, mehr Regeln, mehr KPIs. Doch das erzeugt selten Klarheit – meistens lähmt es Teams.

Dabei liegt die Lösung nicht im Rückzug in alte Steuerungsmodelle. Es geht darum, das Steuern neu zu denken: adaptiv, wirksam, klar – aber ohne Mikromanagement, das unausgesprochen kommuniziert: Ich vertraue dir nicht. Wie die gegenteilige Wirkung ist, erlebe ich immer wieder bei meiner Praxis in Unternehmen: Wenn Führungskräfte ihre Energie vom Kontrollieren auf das Ausrichten verlagern, steigt die Leistung. Und die Geschwindigkeit nimmt zu.

Wie gelingt das nun konkret? Fünf Prinzipien zeigen den Weg

 

  1. Orientierung vor Kontrolle

Die meisten Unternehmen setzen zuerst auf Kontrolle – weil man sie messen kann. Doch Steuerung entsteht nicht durch Messen, sondern durch Richtung. Mitarbeiter müssen verstehen, wohin ein Team oder eine Abteilung gehen soll und warum. Ohne diese Orientierung laufen auch die besten Prozesse ins Leere.

Darum lohnt sich ein kurzer, klarer Abgleich – idealerweise zu Beginn eines Projekts oder im wöchentlichen Team-Meeting. Hier geht es nicht um große Strategierunden, sondern um ein gemeinsames Grundverständnis, das später Entscheidungen erleichtert. Praktischer Einstieg für ein Team-Meeting: Fünf Sätze definieren, die allen die Richtung geben:

  • Wohin wollen wir?
  • Warum?
  • Was tun wir dafür?
  • Was tun wir nicht mehr?
  • Woran merken wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind?

Teams, die diese fünf Sätze klar formulieren, treffen schneller Entscheidungen und brauchen weniger Rücksprachen.

  1. Entscheidungen dorthin verlagern, wo Wissen sitzt

Viele Unternehmen wollen schneller werden, aber blockieren sich durch Hierarchien selbst. Statt Kompetenz dort zu nutzen, wo sie existiert, müssen Entscheidungen erst durch Gremien. Das verzögert alles – und frustriert die Fachleute.

Moderne Steuerung funktioniert anders: Führung gibt den Rahmen, Teams entscheiden im Rahmen. Der Effekt ist erstaunlich: Leistung steigt, Fehler sinken, und die Organisation wird agiler, ohne „agil“ zu rufen. Hier lohnt sich ein völlig pragmatischer Ansatz: Wer weiß am meisten über dieses Problem – und wie bekommt diese Person Entscheidungskompetenz?

  1. Widersprüche nicht auflösen – sondern aushalten

Im klassischen Management suchte man eindeutige Antworten. Da prallen schon mal Gegensätze aufeinander: schnell vs. gründlich, Sparen vs. Qualität, New Work vs. Verlässlichkeit. Viele wollen diese Widersprüche „auflösen“. Das funktioniert selten. Adaptives Steuern heißt etwas anderes: Widersprüche akzeptieren und bewusst managen. Oft sind es nämlich nur vermeintliche Gegensätze. In der Praxis lassen sie sich verbinden, wenn man sie sauber trennt und strukturiert steuert.

Ein Beispiel aus einem Workshop veranschaulicht das: Ein Unternehmen wollte gleichzeitig Kosten senken und die Servicequalität erhöhen. Klingt aussichtslos. Die Lösung lag nicht in einer Entweder-oder-Entscheidung, sondern in einer Priorisierung: Qualität in den kundenkritischen Bereichen sichern, Kosten im Hintergrundprozess reduzieren. Zwei scheinbar widersprüchliche Ziele – klar aufgeteilt und gesteuert.

  1. Geschwindigkeit entsteht nicht durch Druck, sondern durch Klarheit

Viele Führungskräfte glauben, mehr Druck müsse automatisch zu schnellerer Umsetzung führen. In der Praxis passiert das Gegenteil: Druck erhöht Unsicherheit. Unsicherheit erzeugt Rückfragen – nach oben, aber auch seitlich im Team. Die Leute reden miteinander, versuchen, Erwartungen zu klären, sichern sich ab. Diese Unruhe frisst Zeit und erzeugt zusätzliche Schleifen. Und genau diese Schleifen sorgen für Stau.

Was Geschwindigkeit wirklich erzeugt, ist Klarheit über drei Dinge: Was genau ist gemeint? Wer entscheidet? Was ist „gut genug“? Gerade der letzte Punkt fehlt oft. Teams arbeiten an perfekten Lösungen, weil niemand sagt, wann „90 Prozent reichen“. Moderne Steuerung heißt also auch: Qualität bewusst definieren, anstatt sie dem Zufall zu überlassen.

  1. Steuerung braucht Resonanz, nicht Ritual

Viele Unternehmen arbeiten mit festen Meetings, Jour-fixes, Berichten. Das fühlt sich strukturiert an – liefert aber selten echte Steuerung. Führung braucht etwas anderes: Resonanz. Ein schneller Abgleich: Wo stehen wir? Was irritiert? Wo müssen wir nachjustieren? Ein Unternehmen hat das in Workshops radikal vereinfacht: Statt zwei Stunden Jour-fixe gibt es heute drei Fragen in zehn Minuten:

  1. Was läuft?
  2. Was hakt?
  3. Was braucht es jetzt?

Mehr braucht es oft nicht. Die Qualität der Steuerung steigt, weil das Gespräch nicht mehr der Struktur folgt, sondern der Realität.

Steuerung neu denken heißt Wirksamkeit erhöhen

Viele Unternehmen arbeiten heute härter, aber nicht wirksamer. Sie verlieren sich im Kontrollieren, Optimieren und Messen – und verwechseln Aktivität mit Führung. Doch Steuern heißt nicht, alles im Griff zu haben. Steuern heißt, Orientierung zu geben, Rahmen zu setzen und Teams so auszurichten, dass sie eigene Lösungen finden. Genau das macht Organisationen schneller, robuster und motivierter. Und es gibt Führungskräften das zurück, was sie oft verloren haben: Wirkung.

 

Ein Gastbeitrag von Stephan Penning über die fünf Prinzipien, mit denen Unternehmen Orientierung schaffen – ohne in alte Kontrollreflexe zurückzufallen.

Foto: © Stephan Penning, Penning Consulting

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