Video: Biolandwirte klagen über Formularflut

Video: Biolandwirte klagen über Formularflut


Biolandwirte in Schwaben fordern Entlastung von bürokratischem Aufwand – Mehr Formulare, Nachweise und Kontrollen als in konventioneller Landwirtschaft – Existenzielle Belastung für Familienbetriebe.

 

Bürokratie ist für viele Landwirte ein rotes Tuch, doch Biolandwirte sehen sich einer besonders hohen Belastung ausgesetzt. Wer seine Landwirtschaft auf ökologische Prinzipien umstellt, muss mit einer Flut an Formularen, Nachweisen und Kontrollen kämpfen, die den Alltag erheblich erschweren. In Schwaben fordern Bauern seit langem eine spürbare Entlastung, doch bisher sind ihre Rufe ungehört verhallt. :newstime-Reporter Adrian Burg hat Biolandwirt Sebastian Rotter aus Gablingen begleitet und sich ein Bild von den Herausforderungen gemacht, mit denen er tagtäglich zu kämpfen hat.

„Die Bürokratie erstickt uns“: Frustration bei Biolandwirten und die Liebe zur Natur

„Die Bürokratie erstickt uns“, klagt Sebastian Rotter, der seinen Hof in Gablingen seit mehreren Jahren nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet. „Wir verbringen mehr Zeit am Schreibtisch als auf dem Feld. Das ist frustrierend und nimmt uns die Freude an der Arbeit.“ Rotter bewirtschaftet seinen Hof mit viel Herzblut und Engagement, getrieben von einer tiefen Verbundenheit zur Natur und dem Wunsch, gesunde Lebensmittel zu produzieren. Er setzt auf eine vielfältige Fruchtfolge, artgerechte Tierhaltung und den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Doch der Papierkrieg droht ihn zu erdrücken, seine Motivation zu untergraben und ihn von der eigentlichen Arbeit abzulenken.

Im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft müssen Biolandwirte deutlich mehr Formulare ausfüllen, um ihre ökologische Arbeitsweise zu dokumentieren. Dazu gehören unter anderem Nachweise über die Herkunft des Saatguts, die Art der Düngung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (wobei hier deutlich weniger Mittel zugelassen sind und der Einsatz genau begründet werden muss) und die Einhaltung der Tierschutzbestimmungen. Jedes Detail muss genauestens dokumentiert und belegt werden, oft in mehrfacher Ausfertigung.

Kontrollen und Auflagen belasten Familienbetriebe und schaffen Unsicherheit

Zusätzlich zu den Formularen müssen sich Biolandwirte regelmäßigen Kontrollen durch staatliche Behörden und Zertifizierungsstellen unterziehen. Diese Kontrollen sind zwar notwendig, um die Einhaltung der ökologischen Standards zu gewährleisten, bedeuten aber auch einen erheblichen Aufwand für die Betriebe. Die Kontrolleure kommen unangekündigt und überprüfen alle Bereiche des Hofes, von den Feldern über die Ställe bis hin zu den Lagerräumen. Sie nehmen Proben, sichten Dokumente und befragen die Landwirte zu ihren Arbeitsweisen.

„Wir haben fast ständig jemanden auf dem Hof, der unsere Arbeit kontrolliert“, so Rotter. „Das ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch nervenaufreibend. Man fühlt sich ständig unter Generalverdacht.“ Das Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen und beweisen zu müssen, dass man alles richtig macht, belastet die ohnehin schon angespannte Situation der Landwirte zusätzlich. Oftmals sind die Kontrollen auch mit hohen Kosten verbunden, die die ohnehin schon knappen Margen der Biolandwirte weiter schmälern.

Besonders kleine Familienbetriebe, wie der von Sebastian Rotter, leiden unter der hohen bürokratischen Belastung. Sie haben oft nicht die Ressourcen, um sich professionelle Hilfe zu leisten oder einen Mitarbeiter ausschließlich für die Büroarbeit abzustellen. Die ohnehin knappe Zeit muss dann für die Bearbeitung von Anträgen, das Ausfüllen von Formularen und die Vorbereitung auf Kontrollen verwendet werden. Das geht oft zu Lasten der eigentlichen Arbeit auf dem Feld und im Stall, der Pflege der Tiere und der Weiterentwicklung des Hofes.

Existenzielle Belastung: Immer mehr Bauern geben auf – Forderung nach digitaler Vereinfachung und Wertschätzung

Die hohe bürokratische Belastung ist nicht nur frustrierend, sondern kann auch existenzielle Folgen haben. Immer mehr Landwirte geben auf und stellen ihren Betrieb wieder auf konventionelle Landwirtschaft um oder verkaufen ihr Land. Sie sehen sich nicht mehr in der Lage, den immer weiter steigenden Anforderungen der Bürokratie gerecht zu werden und wirtschaftlich zu überleben.

„Es ist traurig zu sehen, wie viele Kollegen wegen der Bürokratie aufgeben“, sagt Rotter. „Wir Biolandwirte leisten einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz und zur nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Wir bräuchten mehr Unterstützung und weniger Bürokratie, um unsere Höfe zukunftsfähig zu machen.“

Forderungen der Biolandwirte: Digitalisierung, Praxisnähe und Anerkennung

Die Biolandwirte fordern eine grundlegende Vereinfachung der bürokratischen Prozesse. Sie schlagen vor, die Digitalisierung voranzutreiben und einheitliche, onlinebasierte Plattformen für Anträge und Nachweise zu schaffen. Dies würde den Verwaltungsaufwand erheblich reduzieren und die Kommunikation mit den Behörden erleichtern.

Darüber hinaus fordern sie, die Kontrollen praxisnäher und weniger dogmatisch zu gestalten. Die Kontrolleure sollten sich stärker auf die individuelle Situation der Betriebe einlassen und nicht nur auf die Erfüllung formaler Kriterien achten.

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