Streng juristisch betrachtet bewegen sich Wirtschaftsstrafverfahren innerhalb desselben Prozessrahmens wie andere Strafverfahren. Dies bedeutet, dass die maßgeblichen prozessualen Bestimmungen für alle Varianten gelten. In der Praxis gibt es jedoch einige Unterschiede. So sehen verschiedene Verfahrensordnungen sowie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) in Einzelfällen spezielle Regelungen vor. Dazu gehören die §§ 385 bis 408 der Abgabenordnung (AO) sowie § 74c GVG.
In welchen strafrechtlichen Bereichen besteht Anwaltspflicht?
Für Strafverfahren jeder Art ist die Vertretung des Beschuldigten durch einen Rechtsanwalt teilweise vorgeschrieben. Folgendes gilt:
- vor einem Bezirksgericht besteht keine Anwaltspflicht
- handelt es sich um einen Strafprozess vor einem Landgericht, ist die Vertretung durch einen Anwalt vorgeschrieben, wenn die Hauptverhandlung vor einem Einzelrichter stattfindet; dies gilt jedoch ausschließlich im Fall, dass eine über dreijährige Freiheitsstrafe angedroht ist
- die Einschaltung eines Rechtsanwaltes ist verpflichtend bei Strafprozessen vor einem Schöffen- oder Geschworenengericht
- alle Rechtsmittelverfahren unterliegen der Anwaltspflicht
- Beschuldigte in Untersuchungshaft müssen gleichfalls über einen Rechtsbeistand verfügen
Beispielsweise in Rechtsmittelverfahren ist die Anwaltspflicht in jedem Fall sinnvoll. Unter anderem sind wichtige Fristen einzuhalten, deren Versäumnis zu einem rechtskräftigen Urteil führen kann. In diesem Fall hat der Verurteilte nur noch selten eine Chance, es anzugreifen.
Beschäftigt man sich ein wenig mit den verschiedenen Rechtsmittelverfahren, fällt auf, dass regelmäßig Urteile in Strafsachen durch ein Revisionsgericht aufgehoben werden. Eine bedeutende Rolle für die Erfolgsaussichten in diesem Bereich spielt der Strafverteidiger. Grundsätzlich lässt sich leicht ein Rechtsanwalt für Revisionsverfahren finden. Es ist jedoch ratsam, eine Kanzlei zu beauftragen, die sich darauf spezialisiert hat, Fehler in Strafurteilen aufzuspüren und dem Revisionsgericht gegenüber aufzuzeigen. Die Erfahrung und Professionalität eines Strafverteidigers im Revisionsprozedere ist unerlässlich für ein positives Ergebnis.
Besonderheiten von Wirtschaftsstrafsachen
Meist handelt es sich um sozial und finanziell privilegierte Menschen, die von Strafverfahren wegen des Verdachts der Wirtschaftskriminalität betroffen sind – und genau dieses Privileg kann ihnen zum Verhängnis werden. Einige Rechtsexperten weisen darauf hin, dass die Ermittlungstätigkeiten rücksichtsloser durchgeführt werden, wenn die Verdächtigen
- entweder unterprivilegiert
- oder hochprivilegiert
sind. Diese Vorgehensweise geht jedoch mit außerordentlichen Risiken einher. Sie führt oft zu Folgen für Betroffene, die ebenso negativ sind wie die im Raum stehenden strafrechtlichen Sanktionen.
Unternehmen können zum einen allein durch die Ermittlungen in Wirtschaftsstrafsachen ihren guten Ruf verlieren. Gleiches gilt für ihre gewerberechtliche Zuverlässigkeit sowie Kreditfähigkeit. Zum anderen steht in vielen Fällen das gesamte Privatvermögen auf dem Spiel. Erfolgt eine Verurteilung, ist die berufliche Zukunft meist zerstört – insbesondere, wenn sie mit einem Tätigkeitsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder einem generellen Berufsverbot einhergeht.
Viele Betroffene erfahren nichts von den Ermittlungen bis zum Zeitpunkt, an dem überraschend eine Durchsuchung ihrer Geschäfts- und Privaträume vorgenommen wird. Dies verhindert in der Regel eine sofortige anwaltliche Beratung. Ohne sie besteht jedoch die Möglichkeit, dass ein Betrieb quasi von einer Minute auf die andere ohne Kundenkartei, Lieferantenverzeichnis sowie EDV dasteht. Belastend kommt häufig noch hinzu, dass beiläufige Gespräche mit den Ermittlungsbeamten am Rande des Durchsuchungsvorganges als „Geständnisse“ in den Akten der Staatsanwaltschaft landen.
Zum Verhängnis wird einem Unternehmer die Globalisierung der Märkte in Form der sogenannten „Weltläufigkeit“. Wird daraus eine Fluchtgefahr abgeleitet, führt sie unweigerlich zur Untersuchungshaft. An dieser Stelle sind kompetente Rechtsanwälte von großer Wichtigkeit. Die Beschuldigten sind einer starken psychischen Belastung ausgesetzt, die Einfühlsamkeit und eine überlegte Betreuung erfordert. Ist ein Strafverteidiger dieser Herausforderung nicht gewachsen, kann er schnell eine aussichtsreiche Verteidigungsstrategie verspielen.
Spezialisierte Staatsanwälte nutzen heute konsequent die strafprozessualen Möglichkeiten der Sicherstellung des Vermögens eines Beschuldigten. In der Regel sind nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für deren Familien die Folgen dramatisch. Ein Rechtsanwalt muss sich in eine rechtlich komplexe Materie einarbeiten. In der Regel weist das Ermittlungsmaterial einen erheblichen Umfang auf. Darüber hinaus handelt es sich oft um außergewöhnlich lange Verfahren. Hinzu kommen die Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren. All diese Faktoren erfordern die Verteidigung durch einen erfahrenen und kompetenten Rechtsanwalt.

