Die deutsche Autoindustrie befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation. Nach jahrelangem Wachstum und Dominanz auf den globalen Märkten sehen sich die Hersteller und Zulieferer heute mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Sowohl bei Verbrennungsmotoren als auch bei Elektrofahrzeugen gibt es erhebliche Rückgänge bei den Zulassungszahlen.
Die Krise bei Verbrennungsmotoren
Die anhaltende Debatte um Fahrverbote für Diesel-Pkw und die strikteren Abgasnormen haben den Absatz von Fahrzeugen mit klassischen Verbrennungsmotoren deutlich belastet. Viele Verbraucher zögern, solche Autos zu kaufen, da die Unsicherheit über die künftige Nutzbarkeit groß ist. Hinzu kommen Produktionsausfälle aufgrund von Lieferengpässen bei Halbleitern und anderen wichtigen Bauteilen. Die Hersteller müssen ihre Fabriken immer wieder vorübergehend stilllegen, was die Effizienz und Rentabilität erheblich beeinträchtigt.
Die Schwierigkeiten bei Elektrofahrzeugen
Auch bei der Elektromobilität läuft es nicht rund. Der starke Rückgang der Zulassungszahlen im August 2022 um 69 Prozent im Vergleich zum Vorjahr kam für viele überraschend. Experten hatten hier einen deutlichen Zuwachs erwartet. Als Gründe werden unter anderem genannt:
- Lieferprobleme bei Batterien und Halbleitern, die die Produktion behindern
- Unsicherheit der Verbraucher aufgrund rasant steigender Strompreise und begrenzter Reichweiten
- Fehlendes flächendeckendes Ladenetz, das Elektromobilität für viele Kunden noch unpraktisch macht
Zudem ist die Förderung für E-Autos in Deutschland in den letzten Monaten deutlich zurückgefahren worden, was die Nachfrage ebenfalls belastet.
Die Auswirkungen auf die Zulieferer
Die Probleme der Automobilhersteller treffen auch die zahlreichen Zulieferbetriebe in Deutschland und Europa hart. Unternehmen wie ZF Friedrichshafen oder Bosch müssen ihre Produktion ebenfalls immer wieder anpassen und sind gezwungen, Arbeitsplätze abzubauen. Die Unsicherheit über die künftige Ausrichtung der Branche weg vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität verunsichert viele Zulieferer zusätzlich.
Viele von ihnen haben in den letzten Jahren hohe Summen in Forschung und Entwicklung von Verbrennungsmotoren investiert. Nun müssen sie ihre Strategien und Produktportfolios schnell umstellen, um für die Elektromobilität gerüstet zu sein. Das erfordert erhebliche Investitionen und birgt hohe Risiken.
Wirtschaftsminister Habeck lädt zum Autogipfel
Angesichts der massiven Probleme in der Branche hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nun einen „Autogipfel“ einberufen. Vertreter von Herstellern, Zulieferern, Gewerkschaften und Politik sollen hier über Lösungsansätze beraten.
Ziel ist es, gemeinsam Wege zu finden, wie die Transformation hin zur klimafreundlichen Mobilität der Zukunft gelingen kann, ohne dass die Industrie und zehntausende Arbeitsplätze auf der Strecke bleiben. Dazu gehören Themen wie:
- Weitere Förderung und Anreize für den Absatz von E-Autos
- Unterstützung für den Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur
- Maßnahmen zur Sicherung von Lieferketten und Produktion
- Qualifizierung der Beschäftigten für den Wandel
Habeck will mit dem Autogipfel ein Signal senden, dass die Bundesregierung die Branche in dieser schwierigen Phase nicht alleine lässt. Gemeinsam müssen Lösungen gefunden werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland zu erhalten.
Die Bedeutung der Automobilindustrie für Deutschland
Die Automobilindustrie ist traditionell der Schlüsselsektor der deutschen Wirtschaft. Kein anderes Land weltweit hat einen derart hohen Anteil der Branche am Bruttoinlandsprodukt. Rund 850.000 Menschen sind direkt in der Autoindustrie beschäftigt, hinzu kommen viele weitere Arbeitsplätze bei Zulieferern und im Servicebereich.
Darüber hinaus hat die Branche eine enorme Strahlkraft für den gesamten Innovationsstandort Deutschland. Viele Zukunftstechnologien wie autonomes Fahren, Digitalisierung oder Leichtbauweise werden maßgeblich von der Autoindustrie vorangetrieben. Der Erfolg des „Made in Germany“ hängt also zu einem guten Teil vom Wohlergehen der Autoindustrie ab.
Umso größer ist die Sorge, dass die aktuellen Krisen die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts langfristig beschädigen könnten. Daher ist es für die Bundesregierung von zentraler Bedeutung, die Transformation der Branche aktiv zu begleiten und zu unterstützen.
Herausforderungen für die Transformation
Der Wandel hin zur Elektromobilität stellt die Hersteller und Zulieferer vor enorme Herausforderungen. Milliardeninvestitionen sind notwendig, um die Produktion umzurüsten und neue Kompetenzen aufzubauen. Gleichzeitig müssen die Unternehmen ihre Belegschaften für die neuen Technologien qualifizieren.
Hinzu kommen die hohen Kosten für den Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur. Experten schätzen, dass in den nächsten Jahren über 1 Million Ladepunkte in Deutschland errichtet werden müssen, um der wachsenden Zahl an E-Autos gerecht zu werden. Die öffentliche Hand ist hier gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen und Investitionen zu fördern.
Gleichzeitig müssen die Autohersteller die Reichweiten ihrer Elektrofahrzeuge weiter erhöhen und die Preise senken, damit E-Mobilität für breite Käuferschichten erschwinglich wird. Nur so kann die Transformation gelingen, ohne dass der Industriestandort und die Arbeitsplätze gefährdet werden.
Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie
Die Automobilindustrie befindet sich also in einem tiefgreifenden Umbruch. Die aktuellen Krisen bei Verbrennern und E-Autos zeigen, wie fragil die Situation ist. Gleichzeitig bietet der Wandel aber auch große Chancen – wenn es gelingt, die richtigen Weichen zu stellen.
Mit innovativen Produkten, leistungsfähiger Infrastruktur und gut qualifizierten Mitarbeitern kann die deutsche Autoindustrie ihre Spitzenposition auch in der Ära der Elektromobilität behaupten. Dafür braucht es jedoch entschlossenes und koordiniertes Handeln von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Der Autogipfel unter Leitung von Wirtschaftsminister Habeck ist ein wichtiger erster Schritt, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann der Strukturwandel gelingen und die Zukunft der Automobilwirtschaft in Deutschland gesichert werden.
