Seit Jahren freuen sich Politik und Wirtschaft über sinkende und zumindest stagnierende Arbeitslosenzahlen in Deutschland und speziell Berlin wird als Job-Metropole gefeiert. Die Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) äußerte sich dazu im Dezember letzten Jahres und meinte: Seit 25 Jahren sei die Lage auf dem Berliner Arbeitsmarkt nicht so gut gewesen wie heute, Berlin habe „die rote Laterne nachhaltig abgegeben“.
Auch der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, Christian Wiesenhütter erklärte, dass die Jobaussichten in der Hauptstadt „ausgezeichnet“ seien, denn nirgendwo in Deutschland fanden so viele Menschen eine sozialversicherungspflichtige Arbeit, wie in Berlin. Laut Statistik soll vor allem der Dienstleistungssektor für die positive Bilanz verantwortlich sein. Demnach sei der größte Zuwachs an Beschäftigten auf dem Sektor der Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister zu verzeichnen, dem Unternehmen in den Branchen Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation folgen. Zudem finden immer mehr Menschen im öffentlichen Dienst, im Erziehungsbereich und in der Gesundheitswirtschaft einen Arbeitsplatz.
Flüchtlinge als Beschäftigungstreiber?
Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg waren 2015 1,8 Millionen Menschen in der Hauptstadt beschäftigt und die Arbeitslosigkeit im Oktober letzten Jahres mit einer Quote von 10,2 Prozent (186.000 arbeitslos gemeldeten Menschen) sogar auf den niedrigsten Stand seit 1991 gesunken. Laut BA-Stellenindex BA-X stieg jedoch nicht nur die Beschäftigung in der Region, sondern auch die Zahl der offenen Stellen. Diese sei zu großen Teilen auf die enorme Zuwanderung von Flüchtlingen zurückzuführen, denn laut Bundesagentur bestehe ein hoher Bedarf an Arbeitskräften im Umfeld des Flüchtlingsmanagements. Unter anderem sei eine stark gestiegene Nachfrage nach Wach- und Sicherheitspersonal, Mitarbeitern bei Sozialdiensten und Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung zu vermerken.
Hält die positive Tendenz an?
Während Ökonomen aufgrund der großen Zahl von Flüchtlingen in naher Zukunft ein Ende dieser Entwicklung voraussagen und die meisten Volkswirte bereits für das laufende Jahr mit einem leichten bis deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen rechnen, zeigen sich die Offiziellen zu Beginn des Jahres 2016 optimistisch. Mit 10,7% Arbeitslosenquote (0,6% unter der Marke des Vergleichsmonats 2015) gibt es noch immer eine stabile Beschäftigungslage in der Hauptstadt. Arbeitssenatorin Dilek Kolat zeigte sich erfreut und ist sich zugleich sicher, dass auch die hohe Zahl an Flüchtlingen keine negativen Auswirkungen in der Zukunft haben sollte. In einer Pressemitteilung zu den Januarzahlen der BA äußerte Kolat: „Berlin ist mit 3,8 Prozent Beschäftigungswachstum Spitze in Deutschland. Davon profitieren auch Langzeitarbeitslose und Jugendliche, und ich bin davon überzeugt, dass wir auch nach und nach viele geflüchtete Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integrieren können. Ein erster Schritt dahin sind die Willkommen-in Arbeit-Büros in den großen Flüchtlingsunterkünften, in denen Angebote des Landes Berlin und der Arbeitsagentur unter einem Dach gebündelt werden.“
Müller fordert aktive Wege in der Arbeitsmarktpolitik
Berlins Regierender Bürgermeister Müller sieht in der Zuwanderung aus dem Ausland sogar ein besonderes Potenzial und eine große Chance für die Hauptstadt auf dem Weg zur europäischen Metropole. Auf einer Klausurtagung der SPD in Jena betonte er, dass die Stadt ein „ganz neues Kapitel der Migrationsgeschichte“ schreibe. Doch Migration ist weit mehr, als Sprachkurse und Büros in den Flüchtlingsunterkünften. Die meisten Flüchtlinge sind im Alter zwischen 25 und 35 Jahre – diese brauchen eine Perspektive.
Um Chancengleichheit zwischen den derzeit mehr als 80.000 Flüchtlingen und 180.000 Arbeitslosen zu gewähren, müsse die Arbeitsmarktpolitik aktive Wege gehen. Gerade jetzt sei es möglich, betonte Müller und plädierte dafür, die derzeit gute wirtschaftliche Situation für Zeiten zu nutzen, „wenn es wieder schwieriger wird“. Welche Wege das sein könnten, deutete Müller auf der Tagung bereits an. Um mehr junge Leute für eine Berufsausbildung in der Industrie zu begeistern, schlug er unter anderem vor, das Freiwillige Soziale Jahr (FJS) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖS) durch ein „Freiwilliges Industrielles Jahr“ zu ergänzen. „Nicht immer werde ein guter Lebensweg nur durch Abitur und Studium ermöglicht.“ Beispielsweise sprach er sich für ein „duales Abitur“ aus. Zudem sollte Startups in Berlin, die inzwischen mehr als 60000 Arbeitsplätze bieten, die Einrichtung von Ausbildungsplätzen erleichtert werden. Insbesondere in den digitalen Bereichen sollten besonders in den kleinen und mittleren Betrieben ganz neue Ausbildungsberufe geschaffen werden. Solche Berufsbilder spielten bisher keine adäquate Rolle.
