CDU erzürnt über Markus Söder

Beim CDU-Führungspersonal wächst der Verdruss über Markus Söder. Der Vorsitzende der CSU ärgert die Schwesterpartei mit Sticheleien gegen ihre Minister, vor allem gegen Jens Spahn und Peter Altmaier. Am Tag nach den Wahlniederlagen der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat er diese Kritik so wiederholt, dass sie als Angriff auf CDU-Chef Armin Laschet verstanden werden kann.

Ohne Namen zu nennen, sagte Söder: „Wer führen will und wer den Anspruch einer Nummer eins hat, der muss auch diesen Anspruch durch seine Arbeit rechtfertigen.“ Laschet will bald zum Kanzlerkandidaten der Union ausgerufen werden, doch Söder zögert seine Zustimmung hinaus und lässt der Spekulation Raum, dass er selbst antreten möchte. Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) äußerten insgesamt fünf Personen aus CDU-Führungsgremien Ärger über Söder. „Man ist überhaupt nicht begeistert“, sagte eine Quelle. „Eher angefressen.“ Eine andere meinte in Bezug auf Söders Kritik an der CDU nach den jüngsten Niederlagen: „Wenn du weißt, die große Schwester ist so den Bach runtergegangen, dann machst du nicht das, was da am Montag gemacht worden ist.“ Eine dritte ergänzte: „Dass eine CDU so etwas nicht auf sich sitzenlassen kann, liegt in der Natur der Sache.“ Am Montag hatte sich der Streit an einem neuen Vorschlag Söders entzündet: In einer Pressekonferenz gleich nach einer Telefonschalte mit Laschet, Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem Fraktionschef im Bundestag, Ralph Brinkhaus, und anderen schlug er vor, die Union solle im Wahlkampf „um das Kabinett“ herum „Teams für die Zukunft“ bilden. In der CDU war man entgeistert. Warum, fragte eine Quelle, solle man durch ein „Schattenkabinett“ denn „die eigene Regierungsmannschaft in Frage stellen?“ Besonders ärgerlich ist man darüber, dass Söder seine Zukunftsteams-Idee offenbar mit niemandem abgestimmt hat. Als er sie nach seiner Schalte mit Merkel und Laschet vorbrachte, wurde er gefragt, ob die Sache abgesprochen sei. Seine Antwort: „Wir hatten uns auch ausgetauscht, auch in etwas größerer Runde, heute morgen auch, und glaub ich sind insgesamt da schon ziemlich alle derselben Auffassung.“ Aus der CDU dagegen hört man: „Keiner wusste von diesem Team Zukunft.“

Dementsprechend dauerte es nur Stunden, bis Laschet den Vorschlag öffentlich ablehnte. Nach einer Sitzung des CDU-Vorstands sagte er am Montagmittag, die Frage „Kompetenzteam oder nicht Kompetenzteam, Schattenkabinett oder nicht Schattenkabinett“ werde erst später geklärt. Söder setzte seine Kritik an führenden CDU-Politikern fort, obwohl Laschet ihn, wie er im CDU-Vorstand am Montag sagte, bei der Telefonkonferenz vom selben Morgen ausdrücklich gebeten hatte, das zu unterlassen. Der FAS sagte Söder über Wirtschaftsminister Altmaier: „Keiner kann behaupten, dass alles glattläuft. Die Wahlniederlagen vom letzten Sonntag haben nicht nur lokale Gründe.“ Über Söders Motive gibt es in der CDU mehrere Mutmaßungen. Es heißt, er habe auch intern noch niemandem klar gesagt, dass er Kanzler werden wolle. Manche glauben, er baue Druck auf, um im nächsten Bundeskabinett andere Ministerien für seine Partei durchzusetzen. „Söder pokert sehr hoch, was die Kabinettsposten der CSU betrifft. Sein Ziel ist eher, bessere Ministerien zu bekommen als die Kanzlerkandidatur“, sagt eine Führungsperson. Eine andere bestätigt, die CSU habe vor allem an den Ressorts Verteidigung sowie an Wirtschaft und Forschung Interesse signalisiert. Söder wollte der FAS zu dieser Vermutung nichts sagen. Und führende Außenpolitiker der CDU kritisieren auch die Stellungnahmen des bayerischen Ministerpräsidenten zu möglichen Verboten für den Export europäischer Corona-Impfstoffe in die Vereinigten Staaten. Söder hatte gesagt, es sei nicht zu vertreten, „dass aus Europa heraus ständig Impfstoff abfließt“. Da müsse „mit den USA geredet werden“, denn es dürfe nicht sein, dass man dort „Impfstoff vielleicht hortet und umgekehrt Europa darauf wartet“. In der FAS nannte er es jetzt „sinnvoll, einen EU-Exportstopp für Impfstoff zu verhängen – gerade für Länder, die selbst höhere Impfquoten als wir haben“. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag Johann Wadephul (CDU) sagte der FAS dagegen, Exportverbote wären „Gift für den Prozess der Entspannung der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen“. Nach Trump brauche man „Verständnis und Toleranz für die Lage des Anderen“. US-Präsident Joe Biden stehe „unter riesigem Druck, das müssen wir verstehen, wir wollen seinen Erfolg“. Der Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter, kritisierte den bayerischen Ministerpräsidenten ebenfalls: „Als Außenpolitiker sehe ich die von Söder angesprochene Thematik anders“, schrieb er der FAS. „Wir sollten verhindern, dass aus Gesprächen über den Handel mit Impfstoffen jetzt ein transatlantischer Konflikt wird.“ Besser sei es, sich der „aggressiven internationalen Impfpolitik Amerikas und Chinas“ zu stellen. Vor allem müsse man eine gemeinsame Impfstrategie für Afrika entwickeln. „Damit afrikanische Großeltern eines Tages sagen: Das waren die Flugzeuge aus Europa und Amerika, die uns in der Pandemie den Impfstoff gebracht haben.“ (dts Nachrichtenagentur)

Foto: Markus Söder, über dts Nachrichtenagentur

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