Frankreich verzögert EU-Bestellung von 1,8 Milliarden Impfdosen

Frankreich blockiert eine Bestellung der EU-Kommission von bis zu 1,8 Milliarden Impfstoffdosen des Herstellers Biontech/Pfizer, die für die kommenden zwei Jahre vorgesehen sind. Das berichtet die „Welt“ unter Berufung auf mehrere informierte EU-Diplomaten. Angesichts der weltweit großen Impfstoffnachfrage für Auffrischimpfungen, Kinder und Jugendliche fürchten EU-Regierungen, dass Europa mit seiner Bestellung zu spät kommen und damit einen Teil des geplanten Impfstoffkontingents verlieren könnte.

„Das wäre eine Katastrophe, für die Frankreich verantwortlich wäre“, sagte ein Diplomat der „Welt“. Die USA, Großbritannien und Israel bestellen bereits neuen Impfstoff. Der Vertrag mit Biontech/Pfizer sei komplett ausgehandelt, hieß es in Kreisen der EU-Kommission. Der Vertrag hätte dem sogenannten Lenkungsausschuss (`Steering Commitee`) mit hochrangigen Beamten aus den EU-Hauptstädten nach Angaben der „Welt“ bereits am vergangenen Freitag (30. April) zu Beratungen vorgelegt werden sollen. Die nationalen Hauptstädte können in dem Ausschuss durch ihre Beamten entweder sofort einer Bestellung zustimmen oder sich bis zu fünf Tagen Zeit nehmen um zu entscheiden, ob sie einverstanden sind oder sich durch ein Opt-Out nicht an der Bestellung beteiligen. Wie das Blatt weiter berichtet, habe das Kollegium der EU-Kommissare bei seiner wöchentlichen Sitzung am 28. April dem Vertrag nicht zugestimmt – die einstimmige Zustimmung ist Voraussetzung für die Weiterleitung an die Mitgliedstaaten. Demnach hat der französische Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der auf EU-Ebene den Ausbau der Produktionskapazitäten für Impfstoffe vorantreibt, in der Sitzung Bedenken geäußert, so dass die einstimmige Verabschiedung nicht möglich gewesen sei. Kommissionskreise wollten diese Darstellung auf Nachfrage nicht bestätigen. Mehrere Personen haben zudem in der „Welt“ bestätigt, dass der französische Vertreter im Lenkungsausschuss für die Impfstoffbestellung die Entscheidungsfindung zuletzt ebenfalls verzögerte. Mit immer neuen Bedenken, technischen Fragen und Bitten um Klarstellung würden die Franzosen sich zu Wort melden, berichteten Diplomaten. Es gebe in der Tat ein einziges Land in dem Gremium, das noch nicht seine Zustimmung zu dem Vertrag signalisiert habe und für Verzögerung sorge, heißt es in Kommissionskreisen. Wie lange Frankreich weiterhin noch blockieren werde, sei unklar, heißt es in Brüssel. Über die Motive der französischen Regierung wird derzeit spekuliert. Es gehe Paris offenbar darum, Produktionskapazitäten für den Biontech-Impfstoff nach Frankreich zu holen und französische Unternehmen stärker in die Produktion einzubinden, berichten EU-Diplomaten. Hintergrund: Die französische Regierung ist unter Druck, weil in Frankreich seit Wochen diskutiert wird, warum französische Hersteller bei der Entwicklung und dem Verkauf von Impfstoffen bisher nicht reüssieren konnten. Das Pasteur Institut hat seinen Impfstoff aufgegeben, für den Impfstoff von Sanofi ist keine Zulassung in Europa absehbar und der französische Hersteller Valneva, dessen Impfstoff im Herbst zugelassen werden könnte, hat inzwischen die Verhandlungen mit der EU-Kommission über eine Bestellung abgebrochen, weil die Behörde bisher nicht zugreifen wollte. Man werde jetzt mit einzelnen EU-Staaten separat verhandeln, teilte Valneva im April mit. Die Hängepartie auf Kommissionsseite zieht sich derweil hin: Auch in dieser Woche hätte das Kolleg der Kommissare am Mittwoch über den Vertrag abstimmen können; auch in dieser Woche gab es keine Entscheidung, heißt es aus der Generaldirektion Gesundheit/Kommissionskreisen. Auf der Sitzung am heutigen Freitag dürfte der Lenkungsausschuss weiter auf das Papier warten. (dts Nachrichtenagentur)

Foto: Eiffelturm, über dts Nachrichtenagentur

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