Özdemir kritisiert Politik als „zu nachgiebig“ gegenüber Ditib

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir hat zum Auftakt der Islamkonferenz die bisherige Politik der deutschen Parteien gegenüber den islamischen Dachverbänden als „zu nachgiebig“ kritisiert. „Alle Parteien im Bund und in den Ländern haben die Reformbereitschaft der Islamverbände, vor allem von Ditib, völlig überschätzt“, sagte Özdemir der „Welt“ (Mittwochsausgabe). Doch wer eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft möchte, müsse akzeptieren, dass das Grundgesetz der Leitfaden für das Zusammenleben sei.

„Ich möchte, dass sich auch muslimische Schüler in deutschen Schulen das Wissen über ihre Religion in einem freien Diskurs aneignen und es kritisch hinterfragen können“, so Özdemir weiter. Ein solche Öffnung sei „der beste Schutzschirm gegenüber dem salafistischen `Versatzstück-Islam`“. „Wir können keinen Organisationen Zutritt in unsere Schulen, etwa zum Religionsunterricht, erlauben, die sich im Kern als politische Vertretung fremder Staaten sehen oder gar unsere demokratischen Werte nicht teilen. Erdogan, die Mullahs oder die Salafisten haben in unseren Klassenzimmern nichts zu suchen“, sagte der Bundestagsabgeordnete und frühere Bundesvorsitzende seiner Partei. Die „islamischen Dachverbände, die wir heute haben, erfüllen die Bedingungen für eine Anerkennung als Religionsgemeinschaft momentan nicht. Sie vertreten auch nur einen kleinen Teil der Muslime in Deutschland“, so Özdemir weiter. Allerdings sollten die Dachverbände nicht „für alle Ewigkeit ausgeschlossen werden“. Er mache „die Tür nicht zu, sondern halte sie offen“. Aber zuvor müssten Ditib und die anderen Verbände die Voraussetzungen erfüllen – sie müssten sich von Organisationen ausländischer Mächte zu deutschen Vertretungen inländischer Muslime transformieren, so der Grünen-Politiker. „Sie müssen nachweisen, dass sie mit beiden Beinen auf dem Boden unserer Verfassung stehen und dass in unserem Zusammenleben das Grundgesetz für sie über jedem heiligen Buch steht. Bislang ist mir Deutschland in dieser Frage zu nachgiebig“, so Özdemir, der Mitbegründer einer jüngst gegründeten „Initiative säkularer Islam“ ist. Er griff aber auch den Westen an wegen seiner Passivität während der Massaker an Muslimen auf dem Balkan in den 1990er-Jahren oder wegen der Unterstützung dschihadistischer Gruppen in Pakistan und Afghanistan während des Kalten Krieges. „Nicht nur diese Beispiele zeigen, dass der Westen für die Entstehung des Fundamentalismus und des Wahabismus schon ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung trägt“, so Özdemir weiter. Zugleich könne er aber „nicht mehr hören, wenn nach jedem islamistischen Terroranschlag gesagt wird, das habe mit Religion nichts zu tun“, so der Grünen-Politiker. „Wenn sich diese Verbrecher, ob al-Qaida, Isis, Boko Haram oder al-Nusra, nach jedem Anschlag auf den Islam berufen, kann man nicht so tun, als hätte das alles nichts mit dem Islam zu tun“, so Özdemir weiter. Man brauche eine „innerislamische Debatte darüber, wie sich der Missbrauch des Islam durch Fundamentalisten verhindern lässt“.

Foto: Cem Özdemir, über dts Nachrichtenagentur

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