In Georgien ist die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung und der politischen Führung des Landes erneut auf die Straße getragen worden. Tausende Bürger versammelten sich in der Hauptstadt Tiflis, um gegen die umstrittene Präsidentschaftswahl und den als zu russlandfreundlich empfundenen Kurs der regierenden Partei „Georgischer Traum“ zu protestieren. Unter den Demonstranten befand sich auch die pro-europäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili, die sich bewusst unter die Protestierenden mischte, um ihre Solidarität mit ihren Landsleuten zu zeigen.
Die Hintergründe der Proteste
Die aktuellen Proteste sind nicht der erste Aufschrei der georgischen Bevölkerung gegen die politische Führung des Landes. Bereits im Sommer 2019 gab es massive Demonstrationen gegen den starken Einfluss Russlands auf die georgische Politik. Damals ging es vor allem um den Besuch eines russischen Abgeordneten im georgischen Parlament, der von vielen als Affront gegen die Souveränität und Unabhängigkeit Georgiens verstanden wurde.
Auch die jüngsten Proteste entzünden sich an der Unzufriedenheit mit dem als zu russlandfreundlich empfundenen Kurs der Regierungspartei „Georgischer Traum“. Viele Georgier sehen in dieser Partei und ihrer Führung um den Milliardär Bidsina Iwanischwili eine zu enge Verbindung zu Moskau und fürchten, dass die pro-europäische Ausrichtung des Landes gefährdet sein könnte. Hinzu kommt die Kritik an der Durchführung und Transparenz der letzten Präsidentschaftswahlen, bei denen der Kandidat der „Georgischen Traum“-Partei, Giorgi Gacharia, nur knapp gegen die unabhängige Kandidatin Salome Surabischwili gewonnen hatte.
Die Rolle der Präsidentin
Salome Surabischwili, die seit 2018 als erste Frau das Amt der georgischen Staatspräsidentin innehat, hat sich in den aktuellen Protesten bewusst auf die Seite der Demonstranten gestellt. Als pro-europäische Politikerin sympathisiert sie mit den Forderungen der Protestierenden nach einer stärkeren Ausrichtung des Landes in Richtung EU und NATO. Gleichzeitig versucht sie, als Staatsoberhaupt zu vermitteln und die Spannungen zu entschärfen.
Surabischwili, die selbst jahrelang im französischen Außenministerium tätig war und enge Verbindungen zur französischen Führung hat, kritisiert den zunehmenden Einfluss Russlands auf die georgische Politik scharf. Sie wirft der Regierungspartei „Georgischer Traum“ vor, die Beziehungen zu Moskau auf Kosten der euro-atlantischen Integration des Landes zu pflegen. Ihre Teilnahme an den Protesten ist daher auch als Zeichen an die Adresse Russlands zu verstehen, dass Georgien weiterhin den Weg in Richtung Westen beschreiten will.
Reaktionen der Regierung
Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ und Ministerpräsident Irakli Garibaschwili haben die Proteste zunächst mit Unverständnis und Kritik quittiert. Sie warfen den Demonstranten vor, das Land zu destabilisieren und die Errungenschaften der letzten Jahre infrage zu stellen. Gleichzeitig betonte man, dass man weiterhin an einem pro-europäischen Kurs festhalte und die Beziehungen zur EU und zu westlichen Partnern stärken wolle.
Allerdings wurde schnell deutlich, dass der politische Druck auf die Regierung wächst. Angesichts der anhaltenden Proteste und der scharfen Kritik der Präsidentin sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, Kompromissbereitschaft zu zeigen. So versprach Ministerpräsident Garibaschwili, auf die Forderungen der Demonstranten einzugehen und Reformen einzuleiten, um das Vertrauen der Bürger in die Demokratie und die staatlichen Institutionen zu stärken.
Ausblick und mögliche Folgen
Die aktuellen Proteste in Georgien sind ein weiterer Beleg dafür, dass die politische Führung des Landes nach wie vor mit erheblichen Legitimationsproblemen zu kämpfen hat. Der Unmut in der Bevölkerung über den als zu russlandfreundlich empfundenen Regierungskurs und die Zweifel an der Integrität der Wahlen sind groß. Präsidentin Surabischwili hat mit ihrer Teilnahme an den Demonstrationen deutlich gemacht, dass sie auf der Seite der Bürger steht und deren Forderungen nach einer stärkeren pro-europäischen Ausrichtung des Landes unterstützt.
Wie sich die Lage in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Regierung in Tiflis steht unter erheblichem Druck, glaubwürdige Reformen einzuleiten und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Sollte es ihr nicht gelingen, die politischen Spannungen zu entschärfen, drohen weitere Proteste und möglicherweise sogar eine Eskalation der Lage. Für Georgien wäre das eine weitere Belastungsprobe auf dem Weg in Richtung EU und NATO-Mitgliedschaft.
