Schlaganfall – Magensonde hilft bei lebensbedrohlichen Schluckstörungen

Schlaganfall - Magensonde hilft bei lebensbedrohlichen Schluckstörungen

Stellen Sie sich vor, Sie hätten seit mehr als 11 Wochen (annähernd 3 Monaten) Problememit dem Schlucken. Sie könnten ganz schlecht essen. Alle Nahrungsmittel müssten von der Pflege püriert werden. Und sie bekämen den Speisebrei dann trotzdem nur ganz langsam hinunter – mit vielen Pausen dazwischen.

Gewicht haben Sie auch verloren – an die sechs Kilo. Und: Ihr Arzt versucht immer noch Ihnen das Schlucken neu beizubringen. Klingt mühsam, oder?

Für Antje Schoner (59) ist das Realität. Die Friseurmeisterin aus Hamburg hatte einen Schlaganfall. Und die beschriebenen Symptome gehören neuerdings zu ihrem Leben dazu. Genau wie eine Magensonde, die sie mit künstlicher Nahrung versorgt.

Für die meisten von uns ist das Herunterschlucken von Speisen und Getränken etwas Selbstverständliches. Wir machen uns kaum Gedanken darüber. Außer wir verschlucken uns mal. Aber das Schlucken kann für Menschen tatsächlich zu einer mühsamen Angelegenheit werden.

Rund fünfzig Prozent aller Schlaganfall-Betroffenen haben eine Schluckstörung. Bei einigen von ihnen kommt es zu einer guten und teilweise auch raschen Rückbildung, aber rund ein Viertel der Betroffenen eines Hirninfarkts zeigt auch nach mehreren Monaten oder Jahren noch Schluckstörungen.

Schluckprobleme nach Schlaganfall: Warum ist das so?

Auch wenn es gesunden Menschen nicht bewusst ist: Der Schluck-Vorgang ist etwas sehr Kompliziertes. Tatsächlich nutzen wir an die 50 Muskeln, sobald wir ein Stückchen Brot oder einen Schluck Wasser vom Mund in die Speiseröhre befördern. In Sekunden muss der Kehldeckel die Luftröhre verschließen, damit keine Speisen oder Flüssigkeiten in diese gelangen und ein Verschlucken verhindert wird.

Nun aber kommt es zum Schlaganfall und plötzlich versorgt unser Körper Teile des Gehirns nicht mehr ausreichend mit Blut und Sauerstoff.

Ursache kann ein verstopftes oder ein geplatztes Gefäß im Kopf sein.

Der betroffene Gehirnbereich kann nun seine Funktion verlieren. Es kommt zu Lähmungen und Ausfällen – und das kann dann auch den Schluckapparat betreffen.

Schluckprobleme! Das klingt zunächst noch harmlos. Wenn man aber bedenkt, dass ein gesunder Mensch mühelos bis zu 2.000 Mal täglich Nahrung, Getränke und Speichel schluckt, wird das Ausmaß deutlicher.

Betroffene wie Antje Schoner erleiden immer wieder Hustenkrämpfe, sobald sie versuchen ihre Nahrung normal zu essen. Auch Flüssigkeiten können sie so reizen, dass sie diese beim Husten wieder ausspucken oder gar durch die Nase austreten lassen müssen. Viele Betroffene ziehen sich aufgrund solcher Erlebnisse dann peinlich berührt zurück und meiden weitere soziale Kontakte.

Schluckstörungen können das Leben bedrohen

Doch Schluckstörungen erschweren nicht nur die Ernährung oder das soziale Miteinander – sie können das Leben regelrecht bedrohen.

Grund: Gelangt Flüssigkeit oder Nahrung beim Husten in die Luftröhre, kann man ersticken. Die Gefahr kann auch ganz schleichend kommen. Das Essen kann statt in die Speiseröhre in die Atemwege und in die Lunge gelangen. Chronische Bronchitis, Atemnot, Lungenentzündung aber auch Lungenversagen können die Folge sein. Zudem kann es sein, dass Patienten als Folge dieser Ängste zu wenig Flüssigkeit und Nahrung zu sich nehmen. Eine Mangelernährung kann die Folge sein.

Schnell mit einer Therapie beginnen

Diese Risiken muss niemand eingehen. Schlaganfall-Patienten kann in einer Therapie häufig geholfen werden, das Schlucken wieder zu erlernen. Deshalb ist es nach einem Schlaganfall wichtig, sich von einem Facharzt eine genaue Diagnose bezüglich der Schluckprobleme zu holen.

Solch eine Schluckdiagnostik sollte innerhalb kürzester Zeit nach dem Schlaganfall erfolgen –  in der Regel innerhalb der ersten 24 Stunden.

Auch bei Antje Schoner war dies der Fall. Schwere und Art ihrer Beschwerden konnte der Arzt mit bildgebenden Methoden ermitteln. Dazu schluckte sie ein Röntgen-Kontrastmittel, das unterschiedliche Konsistenzen aufwies. So konnte ihr  Arzt die Schluckfunktion in der Röntgenuntersuchung genau überprüfen und erkennen, ob eine Änderung der Haltung oder die verschiedenen Konsistenzen des Kontrastmittels das Schlucken beeinflussten. Alternativ hätte er auch eine Video-Endoskopie einsetzen können. Dazu führt der Arzt über die Nase des Patienten eine kleine Kamera mit einem flexiblen, dünnen Schlauch ein. Das ermöglicht die direkte Beobachtung sowohl vor, als auch nach dem Schlucken.

Bei Antje Schoner blieb es bei der Röntgen-Methode. Und danach wurde sie an ein Krankenhaus mit einer Schlaganfall-Spezialstation überwiesen, die Stroke Unit. Dort wird in der Regel noch in der akuten Phase des Schlaganfalls mit einer intensiven Schlucktherapie begonnen.

 Wie sieht die Therapie aus?

In der Akut-Phase nach ihrem Schlaganfall erhielt Antje Schoner zunächst leicht zu schluckende Kost in Form von angedickten Getränken und pürierten Speisen, die von der Pflege liebevoll zubereitet worden waren.

Parallel zeigte ihr der Therapeut Bewegungs- und Schluckübungen, die ihre gestörte Körper-Funktion möglichst wiederherstellen sollten. Kopfhebe-Übungen im Liegen können zum Beispiel die Muskeln oberhalb des Kehlkopfes kräftigen und die Öffnung der oberen Speiseröhren-Muskeln verbessern. Auch bestimmte Schluckschutz-Techniken vermindern das Risiko, dass Patienten Speisen und Flüssigkeiten einatmen. Dazu braucht Antje Schoner nur den Kopf beim Schlucken nach vorne zu neigen.

Betroffene allerdings, bei denen absehbar ist, dass sie nach einem Schlaganfall mehr als eine Woche an einer schweren Schluckstörung leiden, profitieren von einer Ernährungssonde. Auf diese Weise kann die Nahrungszufuhr sichergestellt werden, der Druck des „essen-,müssens“ sinkt  und der Betroffene kann sich ohne Angst auf das Schlucktraining einlassen.

Bei Antje Schoner war genau das der Ablauf. Sie bekam einen dünnen, weichen Schlauch über die Nase in den Magen gelegt. So etwas tut nicht weh, fühlt sich lediglich zu Anfang etwas ungewohnt an. Da die Schluckstörung länger als vier Wochen bestand, wurde später die Ernährungssonde durch die Bauchhaut (kurz: PEG genannt) gelegt. Diese Sonde könnte Antje Schoner nun über viele Monate dort belassen.

Mithilfe der Magensonde wird nun sogenannte „Sondennahrung“ – also  Flüssignahrung, die die notwendige Menge an Energie in Form von Fetten und Kohlenhydraten sowie Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen enthält – direkt in ihren Magen verabreicht.

Außerhalb des Krankenhauses holte sich Antje Schoner anfangs Unterstützung über einen ambulanten Pflegedienst. Auch die Hersteller der Sondennahrung bieten qualifiziertes Personal für die Betreuung der Patienten an. Grund: DiePEG-Austrittsstelle muss regelmäßig kontrolliert und gepflegt werden, um Infektionen vorzubeugen. Auch der Ernährungsplan sollte regelmäßig überprüftund gegebenenfalls adaptiert werden. Antje Schoner hat sich mit Ihrer Ernährungssonde arrangiert. Sie kann mit der Sonde Duschen, Baden und Schwimmen gehen. Sie ist auch schon im Urlaub gewesen. Dies erfordert eine gute Planung, ist dann jedoch problemlos möglich.

Und obwohl sie bereits seit einigen Wochen Sondennahrung erhält, bedeutet das nicht, dass Essen für sie nun gänzlich unmöglich ist. Im Gegenteil: Ihr behandelnder Therapeut bietet ihr weiterhin geeignete Nahrungskonsistenzen, etwa angedickte Nahrung und Flüssigkeiten, während der Behandlung an. Und die Therapie scheint zu fruchten. Mehr und mehr kommt Antje Schoner körperlich zu Kräften und kann die angebotenen Speisen besser schlucken. Bis die Ernährungssonde wieder entfernt wird, ist es mit etwas Glück, also nur noch eine Frage der Zeit.

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