Stahlindustrie will „Anschubfinanzierung“ für Klimaschutz

Deutschlands Stahlindustrie fordert politische und finanzielle Hilfe für die Umstellung der Produktion auf klimafreundlichere Herstellungsverfahren. „Die Stahlindustrie ist zwar in der Lage, einen substanziellen eigenen finanziellen Beitrag zur CO2-Minderung unserer Gesellschaft zu leisten, aber ohne eine öffentliche Anschub-Finanzierung wird das nicht umzusetzen sein“, sagte Heinz Jörg Fuhrmann, der Vorstandsvorsitzende des Branchenriesen Salzgitter, der „Welt“ (Freitagausgabe). Mit dem entsprechenden politischen Willen könne viel bewegt werden.

„Airbus ist auch anschubfinanziert worden und zig andere ebenfalls. Batteriezellen-Fabriken zum Beispiel werden bezuschusst, Braunkohlegebiete sogar in einem ganz hohen Maße.“ Patrick Graichen, Direktor der Denkfabrik Agora Energiewende, sieht auch die Verbraucher in der Pflicht. „Denkbar ist auch eine Klima-Umlage für die Konsumenten“, sagte der frühere Referatsleiter aus dem Bundesumweltministerium. „Letztlich wäre das wie ein Grüner-Punkt-System, nur in diesem Fall nicht zur Finanzierung des Recyclings von Verpackungsmüll, sondern zur Förderung von grünem Stahl.“ Über die Details, also beispielsweise bis zu welcher Kleinstmenge der Verbraucher zahlen soll für neue Autos oder Waschmaschinen, müsse aber noch en Detail gesprochen werden. In Deutschland wird schon seit über 200 Jahren Stahl produziert. Und das immer nach demselben Prinzip. Das Problem: Dabei entstehen viele Millionen Tonnen CO2-Emissionen. Nun arbeitet die Branche erstmals an einem Umbau der Produktionsweise. Durch einen Technologiewechsel zur sogenannten Direktreduktion mit grünem Wasserstoff sollen rund 95 Prozent der zuletzt rund 57 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Erste Testanlagen sind mittlerweile auch in Betrieb. Graichen bittet dennoch um Geduld: „Was die Direktreduktion mit Wasserstoff angeht, ist die Stahlindustrie ungefähr auf halbem Weg zwischen Labormaßstab und Markteinführung. Trotzdem dürfte es noch etliche Jahre dauern, bis die Umstellung gelingt.“ Und die Kosten sind hoch. Fuhrmann spricht von alleine drei Milliarden Euro für Salzgitter und hochgerechnet siebenmal so viel für die gesamte Branche. Das allerdings kann die angeschlagene Industrie, die mit weltweiten Überkapazitäten und in der Folge sinkenden Preisen zu kämpfen hat, nach Meinung von Experten nicht alleine stemmen. Fuhrmann zum Beispiel spricht von wenigen 100 Millionen, die Salzgitter aufbringen kann. Die Politik indes ist sich Graichen zufolge der Problemstellung noch nicht bewusst. „Ehrlich gesagt – die Industrie ist viel weiter als die Politik, das ist unser Problem“, sagte der Agora-Direktor. „Denn jede Investitionsentscheidung, die ein Stahlkonzern jetzt trifft, gilt angesichts der Lebensdauer von Hochöfen für viele Jahrzehnte. Entscheidungen können also nicht ohne das Paradigma Klimaneutralität getroffen werden. Die Politik aber scheint vielfach in dem Glauben, dass Dinge für die Zeit nach 2030 von der nächsten Regierung getroffen werden können.“ Leider habe er nicht das Gefühl, dass die Politik die Größe der Herausforderung annimmt und sie gegenüber der Bevölkerung auch kommuniziert. „Das hier ist jetzt eine Projektkategorie a la Wiedervereinigung oder Wiederaufbau nach dem Krieg und nicht ein bisschen Schraube hier und Schraube da.“

Foto: Stahlproduktion, über dts Nachrichtenagentur

 

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