Allianz-Chefökonom fürchtet deutschen Reformstillstand

Frankreich hat Deutschland beim Wirtschaftswachstum 2019 deutlich hinter sich gelassen. Führende Ökonomen rechnen zudem damit, dass Frankreich seinen Vorsprung in Sachen Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren noch ausbauen wird. Frankreich befinde sich dank der Reformpolitik von Staatspräsident Emmanuel Macron „in Aufbruchstimmung. Deutschland hingegen wirkt zunehmend wie eine gestrandete Volkswirtschaft“, sagte der neue französische Chefökonom der Allianz, Ludovic Subran, der „Welt am Sonntag“.

Das Ende der Diesel-Ära verlange dringend danach, dass die Auto-Nation Deutschland sich neu positioniert und in die eigene Zukunft investiert. „Aber aus der Politik kommt dazu nicht viel – und wenn, dann sind es Vorschläge aus der Opposition“, so der Allianz-Chefökonom weiter. Dies lasse die Unternehmen zögern, „Geld in die Hand zu nehmen, obwohl genug Mittel da wären“. Auch Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank, sieht Frankreich weiterhin vorn: „In Deutschland haben wir lange geglaubt, dass Frankreich nicht reformierbar sei. Und jetzt können wir nur darüber staunen, dass unser Nachbar dank seiner weniger zyklisch aufgestellten Industrie nicht nur konjunkturell besser aussieht, sondern dank der entschiedenen Arbeitsmarktreformen auch strukturell viel besser dasteht“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Nach den Prognosen von OECD und des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürfte Frankreichs Wirtschaft 2019 mit einer Rate von rund 1,3 Prozent etwa doppelt so stark gewachsen sein wie Deutschland. 2017 lag Deutschland noch vorn, 2018 waren beide Länder fast gleichauf, allerdings schon damals mit leichtem Vorsprung für Frankreich. Im kommenden Jahr könnte sich dieser Trend den Prognosen zufolge fortsetzen und womöglich sogar noch ausweiten. Den Vorwurf, dass Frankreich vor allem deshalb wächst, weil das Land mehr Schulden aufgenommen hat, weist der Chefökonom der Berenberg Bank zurück. „Die neue relative Stärke Frankreichs ist keineswegs schuldenfinanziert, auch wenn das viele meinen“, so Schmieding. Man habe es in Deutschland dank der Agenda 2010 auch erlebt, „dass, wenn die Beschäftigungsquote steigt, man auch den Haushalt in den Griff bekommt, weil einfach die Zahl der Beitragszahler wächst“. Subran, der im Oktober als Nachfolger von Michael Heise den prominenten Chefökonomen-Posten bei der Allianz angetreten hatte, sieht Deutschland in akuter Gefahr, zu lange untätig zu bleiben: „Deutschland setzt nicht genug Reformen um, obwohl es den Spielraum dafür hätte. Aber weil es allen so gut geht, fehlt der Druck, etwas zu tun. Und in der nächsten Krise ist es dann zu spät“, sagte Subran der „Welt am Sonntag“.

Foto: Allianz-Logo, über dts Nachrichtenagentur

 

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