Eurozone: Italiens Regierung fordert neue Spielregeln

Italiens neue Regierung greift Deutschland wegen seines Außenhandelsüberschusses an und fordert neue Spielregeln für die Eurozone. „Deutsche Politiker sprechen ständig über Haushaltsdefizite und Schuldenquoten anderer Länder. Aber über ihren eigenen Handelsüberschuss reden sie nicht – obwohl ihr Übergewicht dazu beiträgt, dass wir anderen Staaten ein Handelsdefizit haben“, sagt Lorenzo Fioramonti, der Wirtschaftsberater von Vize-Premierminister Luigi di Maio, im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin ‚Capital‘ (Ausgabe 7/2018, EVT 21. Juni). „Stellen Sie sich Europa wie eine Familie bei Tisch vor. Wenn ein Kind zu viel isst, kriegen die andern nicht genug. Deutschland muss anerkennen, dass es nicht den Rest Europas mobben kann.“ Die Eurozone brauche dringen strukturelle Reformen.

Der 41jährige Wirtschaftsprofessor Fioramonti gilt als ökonomischer Vordenker der Fünf-Sterne-Bewegung, der stärksten Fraktion im italienischen Parlament und Seniorpartner in der neuen Koalitionsregierung mit der rechten Lega. Im ‚Capital‘-Interview wirft Fioramonti der Bundesregierung vor, jede Reformdiskussion über den Euro im Keim zu ersticken. „Wenn Ungarns Regierung Migranten schlecht behandelt oder demokratische Institutionen angreift, sagt Deutschland nichts. Aber sobald jemand eine Debatte über einen Pfeiler der Eurozone eröffnet, auf dem Deutschlands wirtschaftlicher Erfolg beruht, dann ist das für Berlin nicht akzeptabel.“

Der Euro sei nicht per se ein Problem, sagte Fioramonti, allerdings seien Reformen überfällig. „Wir Italiener sind ja nicht die Einzigen: Griechenland, Zypern, Spanien, Portugal, seit mindestens zehn Jahren rufen Länder überall in der Eurozone nach Veränderung.“ Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordere eine Bankenunion und eine gemeinsame Lastenteilung. „Deutschland hingegen sagt immer nur Nein“, so Fioramonti, der selbst mit einer Deutschen verheiratet ist.

Fioramonti kündigte an, Italien werde sich mit anderen Euromitgliedern für neue Strukturen der Eurozone einsetzten – unter anderem für ein flexibleres Management- und Kontrollsystem der Gemeinschaftswährung. „Wir werden die jetzigen Regeln respektieren. Aber wir werden auch zusammen mit anderen Staaten daran arbeiten, dass die Regeln neu verhandelt werden. Der Euro ist nicht von Gott festgelegt.“

Den Austritt Italiens aus der Gemeinschaftswährung schloss Fioramonti aus. „Wir sind und bleiben im Euro. Klar ist aber auch: Eine Ehe läuft nur dann gut, wenn alle etwas davon haben. Wenn der Euro mehr sein soll als eine Zweckehe, dann müssen wir gemeinsam daran arbeiten, dass sich alle wohlfühlen.“

Quelle: Capital

Ein Kommentar

  1. Da hat er nicht ganz unrecht. Der Wohlstand der Deutschen liegt auch an den Handelsüberschüssen. Dank Lohndumping und Billigproduktion. Es muss sich wirklich langsam was ändern, sonst sind wir es noch, die die Eurozone zu Grunde wirtschaften.

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