Großkonzerne zahlen fast nirgendwo den vorgeschriebenen Steuersatz

Große Konzerne zahlen fast nirgendwo in der EU den gesetzlich vorgeschriebenen Steuersatz. Einer Untersuchung der Grünen im Europäischen Parlament zufolge gibt es massive Unterschiede zwischen der offiziell geltenden und der tatsächlich gezahlten Abgabenlast für multinationale Unternehmen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Demnach gibt es in Luxemburg die stärkste Abweichung zwischen nominalem und effektivem Steuersatz: Offiziell lag dieser Wert in den Jahren 2011 bis 2015 bei 29 Prozent.

Tatsächlich zahlten Unternehmen durchschnittlich aber nur zwei Prozent. Auch in Ungarn, den Niederlanden und Österreich ist diese Abweichung größer als im EU-Durchschnitt. In Deutschland liegt die Abgabenlast eigentlich bei 30 Prozent. Der Untersuchung zufolge führten Konzerne aber tatsächlich nur 20 Prozent an den Fiskus ab. Lediglich in Bulgarien wurde, anders als in den übrigen EU-Staaten, keine Abweichung festgestellt. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold, fordert deshalb mehr Transparenz über die Steuerpraktiken multinationaler Unternehmen. „Die EU-Kommission hat einen guten Vorschlag zur Steuertransparenz großer Konzerne vorgelegt“, sagte der Europa-Abgeordnete der „Süddeutschen Zeitung“, „nun muss Finanzminister Olaf Scholz seine Blockade aufgeben und sich im Rat für länderbezogene Steuertransparenz einsetzen.“ Die EU müsse den Bürgern vor der Europawahl im Mai zeigen, dass sie etwas Wirksames gegen dubiose Steuerpraktiken auf die Reihe bekomme, fordert Giegold. Seine Kritik an Scholz entzündet sich vor allem am sogenannten Country-by-Country-Reporting. Dieses soll multinationale Unternehmen verpflichten, den Behörden Daten zu Umsatz, Gewinn und Steuerzahlungen aufgeschlüsselt nach Ländern vorzulegen. Das soll den Finanzämtern ermöglichen, Firmen dort zu besteuern, wo der Gewinn erwirtschaftet wird. Auch der tatsächlich gezahlte Steuersatz wäre so ermittelbar. Scholz hat zwar erklärt, er sei „sehr dafür“, dass es die Möglichkeit einer solchen Berichterstattung gebe. Man müsse sich aber auch die Frage stellen, was man am Ende kriege, wenn man dies tue – insbesondere außerhalb der EU. Der sozialdemokratische Finanzminister will die Berichterstattungspflicht auf Ebene der OECD, aber nicht den sehr viel weitergehenden Vorschlag der EU-Kommission, wonach Konzerne detaillierte Länderberichte veröffentlichen sollen. Deutschland sperrte sich schon unter Scholz` CDU-Vorgänger Wolfgang Schäuble gegen eine solche Veröffentlichung, weil es sich um sensible Firmendaten handele. Da es weder in Europa noch weltweit genaue Daten über die Steuerlast großer Unternehmen gibt, griffen die Grünen für die Untersuchung auf die Datenbank Orbis zurück. Deren Inhalte seien zwar weit davon entfernt, perfekt zu sein, heißt es in dem Bericht, aber sie seien nun einmal „die besten Daten, die verfügbar sind“. Der Steuerexperte Petr Janský von der Prager Karls-Universität hat sie im Auftrag der europäischen Grünen ausgewertet.

Foto: 500-Euro-Geldscheine, über dts Nachrichtenagentur

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