Hannovers Landesbischof kritisiert deutsche Trauerkultur

Hannovers Landesbischof Ralf Meister hat den Umgang der Deutschen mit Tod und Trauer kritisiert. „Aufmerksamkeit und Zeit fließen inzwischen fast nur noch in die Phase vor dem Tod eines Angehörigen. Danach gehen viele viel zu schnell zur Tagesordnung über, auch weil ihnen die Gesellschaft kaum Zeit zum Innehalten lässt“, sagte Meister dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagsausgaben).

Laut Meister sollten Betriebe betroffenen Mitarbeitern im Falle des Todes naher Angehöriger mehr Zeit zum Trauern einräumen. „Für viele Menschen reichen zwei freie Tage nicht. Vorgesetzte sollten eine besondere Großzügigkeit walten lassen“, sagte der Landesbischof. Er höre von Angehörigen immer häufiger den Satz: „Ich bin zum Trauern nicht gekommen, weil ich den Tod organisieren musste.“ Der Tod sei inzwischen fast vollständig „ökonomisiert“. Alles müsse schnell gehen und billig sein. Bislang haben deutsche Arbeitnehmer Anspruch auf zwei Sonderurlaubstage nach dem Tod eines Kindes, Elternteils oder Ehepartners. Die verloren gehende Trauerkultur ist nach Ansicht Meisters Folge einer tiefgreifenden Veränderung. „In unserer Gesellschaft ist der Glauben an die Ewigkeit verloren gegangen“, sagte Hannovers Landesbischof. „Ohne an den Glauben an ein Leben danach endet mit dem Tod alles. Und dann brauchen wir eines Tages auch keine Friedhöfe mehr.“ Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz nannte den Umgang mit Tod und Trauer „eine höchstpersönliche und sehr individuelle Frage“. Alle seien „politisch und gesellschaftlich in der Verantwortung, Trauernden den notwendigen Raum für die Organisation wichtiger familiärer und behördlicher Belange, vor allem aber für eine emotionale Auseinandersetzung mit dem Verlust einzuräumen“, sagte von Notz dem RND. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte, es sei „wert über das Thema Trauer eine öffentliche Debatte anzustoßen“. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die in diesem Jahr ihre Mutter verloren hatte, mahnte am Dienstag beu einer Veranstaltung des RND in Stralsund die Notwendigkeit privater Trauerräume an. Sie wünsche sich einen Raum, in dem „ich auch traurig sein kann, ohne dass ich nun der gesamten Öffentlichkeit darüber Bericht erstatten muss“.

Foto: Friedhof, über dts Nachrichtenagentur

 

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