Heißer Herbst, Kommentar zum Markt für Börsengänge von Walther Becker

Eine halbe Milliarde Euro für erboste Vögel? Eine Zig-Milliardenbewertung für Glücksspiele? In Europa ist so viel an Börsengängen drin wie schon lange nicht mehr. Zu den Aspiranten zählen die finnische Rovio, der Entwickler des Smartphone-Spiels „Angry Birds“, und die österreichische Novomatic, laut Eigendarstellung „einer der größten Gaming-Technologiekonzerne der Welt“.

Im Angebot für Investoren ist eine bunte Palette von interessanten Emittenten. Neben den schon lange diskutierten Konzernablegern Deutsche Asset Management und Siemens-Medizintechnik zählt dazu aktuell Pirelli. Der auf Pkw- und Rennpneus ausgerichtete Reifenhersteller kehrt nach zwei Jahren Abwesenheit wieder an die Mailänder Börse zurück. Hier kann das Emissionsvolumen 3,3 Mrd. Euro erreichen, die Marktkapitalisierung bis 8,3 Mrd. Euro. „Live“ ist auch der Börsengang der Wiener Bawag aus dem Portfolio der US-Finanzinvestoren Cerberus und Golden Tree. Der ehemaligen Gewerkschaftsbank wird nach einer Rosskur und Zukäufen eine Bewertung bis 5 Mrd. Euro zugetraut.

Und weiter geht’s: Nachdem VW und das Bankhaus Metzler die niederländische Leaseplan, die weltgrößte Autoleasinggesellschaft, 2016 für 3,7 Mrd. Euro einer Gruppe von Finanzinvestoren verkauft hatten, liebäugeln diese heftig mit einem IPO, das mehr als 1 Mrd. Euro generieren soll. Die Bewertung wird auf 6 Mrd. Euro taxiert, wenn die Multiples der von Société Générale im Juni an die Pariser Börse gebrachten ALD angesetzt werden. In Paris rückt derweil die Luxusmode von SMCP ins Schaufenster. Und für Novomatic wird eine Bewertung von 6 Mrd. Euro diskutiert, wobei die Österreicher Frankfurt den Vorzug geben. Die an diesem Finanzplatz notierte Möbelhandelsgruppe Steinhoff platziert gerade per Börsengang ihr Südafrikageschäft in Johannesburg und streicht dabei 1 Mrd. Euro ein. Und es geht auch kleiner: Varta, die ihre Börsenpläne 2016 in der Schublade verschwinden ließ, dürfte bald den zweiten Anlauf wagen.

Es wird also ein heißer IPO-Herbst in Europa. Milliardenschwere Platzierungen in Covestro, ABN Amro oder der Versicherung ASR zeigen, wie aufnahmefähig der Markt ist. Das Umfeld ist trotz aller politischen Unwägbarkeiten intakt und die Nachfrage nach neuen Werten gerade aus den USA ungebrochen. Die Geldpolitik in Europa birgt kaum böse Überraschungen und mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von 13 im Dax und 14,8 im Stoxx 600 ist der Markt attraktiv. Einzig Verkäufer, die den Hals nicht voll genug bekommen, können den Zug bremsen.

Quelle: Börsen-Zeitung

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert