In Türkei angeklagter Grünen-Politiker fühlt sich bedroht

Der deutsch-türkische Grünen-Politiker Memet Kilic sieht sich als „Zielscheibe“ der Türkei. Kilic, der eine Prozesseröffnung gegen sich von Deutschland aus verfolgte, sagte dem „Tagesspiegel“ (Mittwochsausgabe), eine Vernehmung in Deutschland habe das türkische Gericht abgelehnt. „Ich fühle mich bedroht. Normale Leute stehen morgens auf und fahren zur Arbeit. Ich schaue erstmal unters Auto und prüfe, ob die Räder in Ordnung sind“, so der Grünen-Politiker weiter.

Er erhalte bereits seit Jahren Drohungen. In Zeiten, in denen sich die Anfeindungen häuften, hole er seinen 15-jährigen Sohn von der Schule ab und lasse ihn nicht mit dem Bus fahren. Polizeischutz lehne er ab, doch er erwäge einen Antrag auf einen Waffenschein, „damit wenigstens Waffengleichheit herrscht“, sagte Kilic. Bei einer Einreise in die Türkei würde Kilic laut Gerichtsbeschluss in Ankara vom Dienstag verhaftet. Eine Auslieferung aus Deutschland an die Türkei muss Kilic wegen seines deutschen Passes nicht befürchten. Dennoch solle er unter Druck gesetzt werden, sagte der Anwalt dem „Tagesspiegel“. Wenn die Türkei über die internationale Polizeibehörde Interpol nach ihm fahnden lasse, könne es sein, dass er beispielsweise bei einem Urlaub in Frankreich festgenommen werde. Der Prozess in Ankara ziele unter anderem darauf, ihn wirtschaftlich zu ruinieren. Seine Zulassung in Deutschland basiere auf seinem türkischen Anwaltsdiplom, ohne das er deshalb in Deutschland nicht mehr arbeiten dürfte. Die deutschen Behörden weigerten sich bisher, ihm eine deutsche Zulassung zu geben, so Kilic. Zudem habe ihn das türkische Generalkonsulat Karlsruhe ohne Begründung von seiner Dolmetscher-Liste gestrichen. Kilic, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft hat, saß von 2009 bis 2013 für die Grünen im Bundestag an und ist weiter politisch aktiv, unter anderem als Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht seiner Partei in Baden-Württemberg. Vor zwei Jahren hatte er der Internetzeitung „ABC Gazetesi“ gesagt, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe der Türkei einen „untragbaren“ Schaden zugefügt: Er sei „als Politiker mit türkischen Wurzeln sehr traurig darüber, dass mein Land in diese Lage gebracht wurde und bezeichne diejenigen, die es in diese Lage gebracht haben, als Vaterlandsverräter“, sagte Kilic damals. Wegen dieser Aussagen fordert die Staatsanwaltschaft bis zu sechs Jahre Haft sowie den Entzug von Kilic` Anwaltsdiplom. In dem Prozess, der am Dienstag begann, tritt Erdogan als Nebenkläger auf.

Foto: Türkische Flagge, über dts Nachrichtenagentur

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