Minuszinsen bescheren Sozialkassen Verluste

Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) belastet die Sozialversicherungen und staatlichen Fonds immer stärker. So musste die Gesetzliche Rentenversicherung für das vergangene Jahr erstmals sogenannte negative Vermögenserträge von 49 Millionen Euro ausweisen. „Für das laufende Jahr rechnen wir mit einem negativen Wert in ähnlicher Höhe“, schreibt der Leiter des Geschäftsbereichs Finanzen, Wilfried Husmann, in einem Papier, über das das „Handelsblatt“ (Montagausgabe) berichtet.

Die Rentenversicherung leidet besonders unter der EZB-Geldpolitik, da sie ihr Geld größtenteils für maximal zwölf Monate und sehr konservativ anlegen muss. Aber auch andere Sozialkassen haben Probleme. So wird die Rücklage der Bundesagentur für Arbeit bis Jahresende zwar dank Rekordbeschäftigung auf 22,5 Milliarden Euro steigen. Doch trotz der großen Summe kann die Behörde kaum Erträge erwirtschaften. Sie teilte auf Anfrage mit, dass ihre Bilanz mit 0,01 Prozent 2017 immerhin noch leicht im Plus blieb. Beim neun Milliarden Euro schweren Gesundheitsfonds fielen Minuszinsen in Höhe von 4,5 Millionen Euro an. Auch der Pflegevorsorgefonds, der Ende 2017 rund 3,8 Milliarden Euro umfasste, konnte Negativzinsen nicht komplett vermeiden. Die Rendite des Fonds fällt insgesamt allerdings leicht positiv aus, wie das Bundesgesundheitsministerium auf Nachfrage des „Handelsblatts“ (Montagausgabe) mitteilte. Grund sind die im Vergleich zu den Sozialversicherungsträgern besseren Anlagemöglichkeiten. So dürfen 20 Prozent der Anlagen an der Börse investiert werden. Seit 2015 habe eine Durchschnittsrendite von 1,38 Prozent erreicht werden können, sagte ein Ministeriumssprecher. Bei den gesetzlichen Krankenkassen fallen ebenfalls Negativzinsen an. Mehr als 220 Milliarden Euro Beitragsgelder und Steuerzuschüsse für die Behandlung von über 70 Millionen gesetzlich Versicherten landen Jahr für Jahr auf ihren Konten, bevor sie zum größeren Teil für Gesundheitsleistungen ausgegeben werden. Negativzinsen seien da gar nicht mehr zu vermeiden, sagt der Chef des Finanzmanagements beim Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), Andreas Grein. „Allein im ersten Halbjahr sind in der AOK-Gemeinschaft sechs Millionen Euro an Negativzinsen angefallen. Gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum bedeutet dies eine Zunahme um rund 25 Prozent“, erklärt Grein. Bei anderen Krankenkassen ist das ähnlich. „Die Lage hat sich für alle Krankenkassen in den vergangenen Monaten weiter zugespitzt“, sagte Thomas Thierhoff, Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Controlling bei der größten deutschen Krankenkasse TK. Dies liege nicht nur daran, dass die EZB inzwischen den Zins für kurzfristige Geldeinlagen auf minus 0,4 Prozent weiter nach unten geschraubt habe. Daher sind die Finanzabteilungen ständig damit beschäftigt, Gelder hin und herzuschieben, um den Anteil der Negativzinsen möglichst klein zu halten. Etlichen Kassen gelingt es auf diese Weise immerhin bisher, insgesamt noch ein positives Zinsergebnis hinzukriegen. Bei der TK lag das Plus im vergangenen Jahr bei 22 Millionen Euro. Dagegen standen drei Millionen Euro Negativzinsen. „Das gelingt uns nur, weil wir einen größeren Teil unserer Rücklagen längerfristig angelegt haben“, erläutert Thierhoff.

Foto: Euroscheine, über dts Nachrichtenagentur

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