Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnt vor noch größeren Fluchtbewegungen nach Deutschland und Europa. „Erst zehn Prozent der in Syrien und Irak ausgelösten Fluchtwelle ist bei uns angekommen. 8 bis 10 Millionen sind noch unterwegs“, sagte Müller der Zeitung „Bild am Sonntag“ und verwies zugleich auf die Situation in Afrika: „Die größten Fluchtbewegungen stehen uns noch bevor: Afrikas Bevölkerung wird sich in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln.“
Müller fügte hinzu: „In der Sahara sollen bis zu einer Million Menschen auf der Flucht gestorben sein. Das zeigt die ganze Dramatik.“ Es brauche deshalb eine „vollkommen neue Dimension der internationalen Zusammenarbeit“. In einer Abschottung sieht der Minister keine Lösung: „Wir können keine Zäune um Deutschland und Europa bauen.“ Angesprochen auf eine feste Obergrenze, wie sie CSU-Chef Horst Seehofer fordert, sagte Müller: „Wir brauchen eine Reduzierung. Eine Million, wie im vergangenen Jahr, können wir nicht erfolgreich integrieren. Gleichzeitig müssen wir alle in Europa unsere Verantwortung in der Welt in einer anderen Dimension wahrnehmen, als wir das bisher tun. Wir haben unseren Wohlstand auf dem Rücken der Entwicklungsländer aufgebaut. Das wird nicht mehr lange gut gehen. Diese Spannungen entladen sich. Dann ist egal, was wir hier festlegen. Die Menschen werden uns nicht fragen, ob sie kommen können.“
Müller übt in Flüchtlingskrise scharfe Kritik an der EU-Kommission
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) übt in der Flüchtlingskrise scharfe Kritik an der EU-Kommission. Dem Blatt „Bild am Sonntag“ sagte Müller: „Mir fehlt bei der Kommission und dem Präsidenten der Durchsetzungswille. Der Schutz der Außengrenzen funktioniert nicht, Schengen ist kollabiert. Eine faire Flüchtlingsverteilung findet nicht statt.“
Müller forderte: „Europa braucht endlich einen Flüchtlingskommissar mit entsprechender Administration, der die Beschlüsse umsetzt. Papier hilft den Menschen nicht, wir brauchen Taten.“ Der Entwicklungsminister forderte von der EU, ihre Versprechen gegenüber der Türkei endlich zu erfüllen: „Die Türkei leistet Großartiges bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge. Aber die Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit sind erreicht. Deshalb braucht die Türkei unsere Unterstützung. Jetzt müssen die EU-Staaten ihr Versprechen einlösen. Die im November versprochenen drei Milliarden Euro Hilfe stehen immer noch nicht zur Verfügung.“
Weise rechnet 2016 mit 500.000 Flüchtlingen
Der Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank-Jürgen Weise, rechnet im neuen Jahr 2016 mit einer halben Million neuer Flüchtlinge. Das gab Weise nach einem Bericht der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online-Ausgabe) bereits am Mittwoch bei der Klausurtagung der grünen Bundestagsfraktion in Weimar bekannt. Das Bamf gehe von weiteren rund 500.000 Flüchtlingen als Arbeitshypothese aus.
Es könnten allerdings ebenso gut mehr oder auch weniger Flüchtlinge sein. 2015 wurden in Deutschland 1,1 Millionen Flüchtlinge registriert. 360.000 Asylanträge waren zuletzt noch nicht bearbeitet.
Foto: Kopftuchträgerinnen, über dts Nachrichtenagentur