Piraten erweitern Wahlprogramm

Neumarkt – Am zweiten Sitzungstag ihres Bundesparteitags hat die Piratenpartei ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013 umfassend erweitert. Die anwesende „Piratenbasis“ einigte sich bei Themen wie Freiheit und Grundrechte, Bürgerbeteiligung, Netzpolitik, Umwelt und Verbraucherschutz, Arbeit und Soziales, Familienpolitik, Gesundheits- und Drogenpolitik, Außen- und Sicherheitspolitik, Innen- und Rechtspolitik sowie Bildung und Forschung auf neue Programmpunkte. „In diesem Antrag stecken mehr als drei Jahre Arbeit, hunderte Piratinnen und Nicht-Parteimitglieder haben daran mitgearbeitet“, sagte Thomas Küppers, Themenbeauftragter für Sozialpolitik und Listenkandidat für die Bundestagswahl in NRW. Mit dem Modul „Freiheit und Grundrechte“ spricht sich die Partei für einen umfassenden Schutz der privaten Lebensführung auf nationaler und internationaler Ebene aus.

Standards sollen definiert und im Grundrecht verankert, bestehende Grundrechte zum Schutz bürgerlicher Freiheiten nicht weiter ausgehöhlt werden. Die Partei spricht sich für den Schutz digitaler Netze und gegen den Einsatz des Staatstrojaners aus. Betroffene von staatlicher Überwachung sollen ausnahmslos über die Maßnahmen informiert werden. Die Unverletzlichkeit der Wohnung sowie das Kommunikations- und Fernmeldegeheimnis sollen absoluten Schutz genießen. Für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Partizipation stimmten die Piraten im Modul „Demokratie wagen“. In Bezug auf das Wahlrecht spricht sich die Partei für offene Listen mit der Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens aus. Bürger sollen mehr Einfluss darauf erhalten, welche Personen sie im Parlament vertreten. Durch anwendungsfreundliche Volksentscheide zu allen politischen Themen sollen sie direkt an Entscheidungen beteiligt werden. Über die Verteilung öffentlicher Gelder sollen sie in Bürgerhaushalte diskutieren dürfen. „Ob Europa, Atomenergie oder Renten – wir vertrauen den Menschen“, sagte Tim Weber, der in Niedersachsen auf Listenplatz 3 kandidiert. Das Modul zum Thema Netzpolitik erweitert das Wahlprogramm der Piraten um die Forderung nach einer kostenlosen und rechtsverbindlichen digitalen Signatur sowie abhörsicherer E-Mail-Kommunikation für Bürgerinnen und Bürger. Außerdem wird die gesetzliche Garantie der anonymen Nutzung von Kommunikationsdiensten und die Abschaffung des sogenannten „Hacker-Paragraphen“ § 202c StGB gefordert. Ergänzend zu den bereits auf dem Bundesparteitag in Bochum beschlossenen Zielen fordert das Modul „Umwelt und Verbraucherschutz“ eine solidarisch finanzierte Energiewende: Weniger Unternehmen sollen von der EEG-Umlage befreit sein. Stattdessen sollen mit einem „Energiespeicherfördergesetz“ Investitionsanreize zum Aufbau dezentraler Stromspeicher geschaffen werden. Zudem sollen Lärmemissionen von Industrieanlagen und Verkehr nach dem Open-Data-Prinzip maschinenlesbar veröffentlicht werden und damit Betroffenen zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Modul „Arbeit und Soziales“ stimmte die Basis einem detaillierten Fahrplan zur schrittweisen Einführung eines Grundeinkommens in Deutschland und auf europäischer Ebene zu. Dieser umfasst auch Reformen der Einkommens- und Mehrwertsteuersysteme. Außerdem behandelt das Modul umfangreiche Maßnahmen zu Stärkung der Arbeitnehmerrechte. Dazu gehört die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns ebenso wie Chancengleichheit oder die Regulierung von Werksverträgen und Leiharbeit. Außerdem fordern die Piraten, den Ehe-Begriff generell durch den Begriff „eingetragene Lebenspartnerschaft“ zu ersetzen, um gleichgeschlechtliche Beziehungen und Partnerschaften, die über die klassische Zweisamkeit hinausgehen, der Partnerschaft zwischen Frau und Mann gleichzustellen. Besonderen Schutz sollen allgemein Lebensgemeinschaften erhalten, in denen Kinder aufwachsen oder Menschen gepflegt werden. Staatliche Betreuungs- und Bildungsangebote sollen Kindern kostenfrei zur Verfügung stehen und flexibel auf den Bedarf der Eltern eingehen. Die Partei will mehr Transparenz und Mitbestimmung von Patienten in politischen Gremien und in der Selbstverwaltung der Gesundheitspolitik. Die medizinische Versorgung müsse regional ausgeglichener werden, bei Überversorgung müssten betroffene Kommunen dies öffentlich rechtfertigen und sie notfalls die Überversorgung aus eigenen Mitteln finanzieren, heißt es im Beschluss. Es soll einen Modellversuch mit dem Schulfach „Gesundheitsbildung“ geben. In der Drogenpolitik setzen die Piraten nach eigenen Worten auf Prävention anstelle von Prohibition. Das Betäubungsmittelgesetz bedürfe einer Reform, um die Entmündigung von Bürgerinnen und Bürgern beim Konsum bestimmter psychotroper Substanzen zu beenden. Der Gesetzgeber solle nur dort eingreifen, wo die Schutzrechte anderer berührt sind. Er soll einen effizienten Jugend- und Verbraucherschutz sicherstellen und das organisierte Verbrechen eindämmen. Das Bewusstsein der Bevölkerung in Bezug auf die Gefahren, die von der Droge Alkohol ausgeht, soll nach dem Willen der Piraten gestärkt werden. Das Modul zur Außen und Sicherheitspolitik fordert die Einführung eines Weißbuchs, das die langfristigen außenpolitischen Ziele der Bundesrepublik und der Europäischen Union transparent dokumentiert.

Foto: Abstimmung bei der Piratenpartei, Marcus Sümnick, Lizenztext: dts-news.de/cc-by

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