Private Unternehmen machen Raumfahrt günstiger

Viereinhalb Jahrzehnte nach der ersten Mondlandung bekommt die staatlich dominierte Raumfahrtbranche zunehmend private Konkurrenz. Vor allem junge Raumfahrtunternehmen wie SpaceX mischen nun in einem Geschäft mit, das zuletzt einige Fehlschläge verkraften musste. Nicht zuletzt die engen Budgets von Raumfahrtnationen wie den USA und Russland treiben die Kommerzialisierung der Raumfahrt voran. Weltweit dürften die staatlichen Raumfahrt-Investitionen in den nächsten Jahren im Schnitt zwar um gut zwei Prozent wachsen und im Jahr 2024 gut 81 Milliarden US-Dollar erreichen. Allzu große Sprünge dürften damit aber nicht drin sein – es sei denn, man findet günstige und trotzdem zuverlässige Anbieter.

Die US-Raumfahrtbehörde NASA will nach dem Ende des Spaceshuttle-Programms zurück zur Einwegrakete. SpaceX-Chef Elon Musk hingegen plant, seine Raketen mehrfach ins All zu schicken. Das soll Raumflüge günstiger machen. Viele erinnern sich jedoch noch an das Spaceshuttle-Programm, das mit einem Budget von über 200 Milliarden US-Dollar nur 135 Flüge realisierte. Was die Raumfahrt billiger machen sollte, wurde zum teuersten Programm aller Zeiten. Ist also Skepsis angebracht, wenn das Unternehmen SpaceX nun wieder behauptet, sie könne die Raumfahrt viel billiger machen? Die Argumentation von SpaceX-Chef Elon Musk klingt durchaus einleuchtend. Fast niemand könnte und wollte sich einen Flug mit einem Flugzeug leisten, wenn das Flugzeug nach jedem Flug weggeworfen würde. Stattdessen würden die Flugzeuge im Allgemeinen nur kurz inspiziert, neu getankt und flögen dann weiter. Der Treibstoff macht in etwa nur 0,3 Prozent der gesamten Startkosten der von SpaceX entwickelten Trägerrakete Falcon-9 aus. Einsparpotenzial wäre also gegeben.

Die erfolgreiche Landung der ersten Stufe der Falcon-9 gilt als wichtiger Schritt zur Entwicklung eines wiederverwertbaren Trägerraketensystems, durch das die Startkosten deutlich reduziert werden könnten. Musk geht davon aus, dass eine perfektionierte Technik zur Wiederverwendung von Raketen die gesamte Raumfahrt auf den Kopf stellen könnte. So würde der Bau einer Falcon-9-Trägerrakete rund 60 Millionen US-Dollar kosten, der Treibstoff für einen Start jedoch nur rund 200.000 US-Dollar. Die Möglichkeiten für Einsparungen wären also gewaltig.

Rennen um ISS-Versorgungsflüge

Gleich drei Privatunternehmen liefern sich ein Rennen um die Versorgungsflüge zur ISS: SpaceX, Orbital ATK und Sierra Nevada. Dem Gewinner winkt ein 3,5 Milliarden Dollar schwerer Sieben-Jahres-Vertrag der US-Raumfahrtbehörde NASA. Der neue Wettbewerb geht auch an den Etablierten der Branche nicht spurlos vorüber. Wenn die NASA im nächsten Schritt die ISS-Flüge für Astronauten vergibt, sehen sich der bisherige Raumfahrt-Weltmarktführer United Launch Alliance, ein Zusammenschluss von Lockheed Martin und Boeing, dem aufstrebenden Rivalen SpaceX gegenüber. Elon Musks Drang ins All setzt allerdings auch in Europa neue Kräfte frei. Längst befördert SpaceX mit der Trägerrakete Falcon-9 Satelliten ins All – und das deutlich billiger als die aktuelle Ariane 5, die Trägerrakete des Unternehmens Airbus. Die neue Ariane 6 soll nun je nach Version einen oder zwei Satelliten ins All befördern können und zugleich bei den Preisen der Konkurrenz mithalten. Zudem übernehmen Airbus und der französische Safran-Konzern die Mehrheit am Betreiber Arianespace – und wollen Betrieb und Vermarktung effizienter hinbekommen als bislang. Die ESA lässt sich den Kampf um lukrative Aufträge viel Geld kosten: Der eigens geschaffene Zusammenschluss Airbus Safran Launchers soll die neue Ariane-Rakete für 2,4 Milliarden Euro bauen. Die Industrie ist mit 400 Millionen Euro dabei. Der neue Lastenträger ist aus ESA-Sicht die Grundlage für einen selbständigen Zugang Europas zum Weltall.

Satelliten im Erdorbit

Bemannte Raumfahrt

Ab 2017 werden die Vereinigten Staaten wieder selbst Astronauten ins All schicken. Den Milliardenauftrag für die Entwicklung neuer Raumschiffe haben SpaceX und Boeing erhalten.

Vor einigen Jahren hatte die NASA ihre Space-Shuttle-Flotte nach rund 30 Jahren ausgemustert. Als Gründe wurden vor allem die großen Kosten für die Wartung und den Betrieb der Raumfähren angeführt. Seitdem ist Amerika auf russische Sojus-Kapseln angewiesen, will sei eigene Astronauten zur internationalen Raumstation ISS befördern. Pro Reise zahlt die NASA dafür allerdings umgerechnet rund 50 Millionen Euro. Schon seit langem plant man, wieder selbst Astronauten zur ISS zu schicken. Die Versuche, private Raumfrachter wieder auf die Erde zurückzuholen, verliefen erfolgreich. 2014 hat SpaceX die Raumkapsel „Dragon V2“ vorgestellt, die bis zu sechs Astronauten aufnehmen kann. Die Ambitionen der amerikanischen Raumfahrtbehörde sind aber noch größer. Seit einigen Jahren entwickelt man eine Kapsel – „Orion“ genannt – mit der Astronauten in den Weltraum befördert werden sollen. Als Ziele hat man den Mond und den Mars anvisiert.

Mit seiner Raumkapsel CST-100 Starliner hat Boeing bereits den Zuschlag für den Bau von bemannten Raketen erhalten. SpaceX soll mit seiner Crew Dragon-Kapsel ebenfalls bis dahin in der Lage sein, Menschen ins All zu transportieren. Allerdings fehlt der Firma noch ein erfolgreicher bemannter Flug. Ein unbemannter Transport war bereits beim Start explodiert. Es liegt also noch jede Menge Arbeit vor den Ingenieuren, bis sich die Astronauten an Bord einer Dragon sicher fühlen können.

Für SpaceX ist dies tatsächlich der Durchbruch in der kommerziellen Raumfahrt. Auch für die NASA bietet die Kooperation mit privaten Anbietern viele Vorteile: Neben dem nationalen Prestigegewinn, wenn US-Astronauten wieder von heimischem Boden starten, verlangen SpaceX und Boeing weniger Geld pro Passagier, als es die russische Raumfahrtbehörde tut. Deren Sojus-Kapseln sind jedoch aktuell die einzige Möglichkeit, Menschen zur ISS zu bringen – was diese beiden Unternehmen jetzt ändern sollen.

China auf dem Vormarsch

Bis 2024 werden geschätzte 1.400 neue Satelliten mit mindestens 50 Kilogramm den Weg in den Orbit finden. Die meisten Satelliten stammen nach wie vor aus den USA. Doch vor allem China hat hier sein Engagement ausgebaut. Aus dem ewigen Zweikampf zwischen den USA und der Sowjetunion ist mittlerweile ein Dreikampf geworden. Seit vergangenem Jahr kreisen erstmals mehr chinesische als russische Satelliten um die Erde. Damit ist die Volksrepublik weltweit die Nummer zwei was die Anzahl der Satelliten in der Erdumlaufbahn anbelangt. Die Zahl der Satelliten im All gilt als wichtiger Indikator für den Einfluss einer Großmacht. Mit den neuen Satelliten und Trägerraketen erhofft sich China nicht nur weitere Fortschritte bei der Erforschung des Weltraums, sondern auch wichtige Erkenntnisse für die Meteorologie sowie den Katastrophenschutz.

Und dann gibt es da noch den Traum vom Weltraum-Tourismus. Neben Richard Bransons Raumschiff-Unternehmen Virgin Galactic, das mit einem Absturz 2014 einen schweren Rückschlag erlitt, arbeiten Elon Musk und Amazon-Chef Jeff Bezos an verschiedenen Konzepten. Bis Weltraum-Reisen für reiche Touristen Realität werden, dürfte es aber noch einige Jahre dauern.

Deutsche Raumfahrt hat gute Ausgangsposition

Die deutsche Raumfahrtindustrie ist mit Blick auf die zunehmende Kommerzialisierung der Branche gut aufgestellt. Wenn die richtigen Weichen gestellt werden und insbesondere eine stärkere Vernetzung zwischen Raumfahrtakteuren und anderen, weltweit führenden deutschen Branchen erfolgt, kann die deutsche Raumfahrtindustrie wirtschaftlich von dem neuen Trend profitieren. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie zur Kommerzialisierung in der Raumfahrt, deren Ergebnisse das Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen eines Fachworkshops in Bonn vorgestellt hat. Ziel der Untersuchung „NewSpace – Geschäftsmodelle an der Schnittstelle von Raumfahrt und digitaler Wirtschaft. Chancen für Deutschland und Europa in einer vernetzten Welt“ war es, die Chancen der deutschen Raumfahrtindustrie vor dem Hintergrund zunehmender Kommerzialisierungstendenzen in der Raumfahrt aufzuzeigen. Unter dem Schlagwort „NewSpace“ sind dabei in den letzten Jahren – vor allem in den USA – kommerziell geprägte Geschäftsmodelle, bei denen Dienste und Nutzerangebote im Vordergrund stehen, entstanden.

Grafik: Statista

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