Raus aus dem Krisenmodus, Kommentar zur Euro-Wirtschaft

Man muss nicht lange um den heißen Brei herumreden: Dass die Euro-Wirtschaft im Frühjahr noch einmal an Schwung verloren hat, ist enttäuschend. Das dürften auch die Granden im EZB-Tower so sehen. Für Schwarzmalerei besteht aber dennoch kein Anlass. Das sollten auch die Euro-Hüter so sehen: Sie sollten nicht am avisierten Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik rütteln.

Im ersten Halbjahr 2018 hat sich das Wachstum im Vergleich zu 2017 halbiert. 2017 war aber ein Ausnahmejahr mit Wachstum weit oberhalb der Potenzialrate der Euro-Wirtschaft. Das konnte nicht ewig so weitergehen. Das aktuelle Wachstum liegt immer noch im Bereich oder gar leicht über Potenzial. Das zweite Halbjahr könnte sogar wieder besser werden: Die Geldpolitik stützt weiter, der Euro ist historisch eher schwach, die Fiskalpolitik ist leicht expansiv und die Weltwirtschaft läuft rund. Die 2,5 Prozent Wachstum aus 2017 sind nicht zu erreichen, aber eine Zwei vor dem Komma ist drin. Das wäre für Euroland aller Ehren wert.

Der positive Ausblick gilt zumindest solange der Handelsstreit nicht eskaliert. Gerade da aber gibt es Entspannungssignale zwischen den USA und der EU. Natürlich sollte das niemand überbewerten, wenn der nächste Zoff nur einen Tweet entfernt ist. Aber selbst bei US-Präsident Donald Trump scheint die Einsicht zu reifen, dass Zölle nicht „das Tollste“ und Handelskriege nicht „leicht zu gewinnen“ sind. Wenn es zu einem Deal kommt, sollte das die Wirtschaftsstimmung wieder anheizen – mit positiven Folgen für die Investitionen.

Mindestens genauso entscheidend ist aber, dass die politischen Entscheider in Euroland über das Handelsthema nicht die anderen Hausaufgaben vernachlässigen: Es braucht einen konsequenteren Abbau der Altlasten in den Bankbilanzen. Es braucht eine klügere Fiskalpolitik, welche die richtigen Anreize setzt, ohne immer neue Schulden zu machen. Es braucht entschlossene Strukturreformen, auch um sich für den demografischen Wandel zu wappnen. Und es braucht eine mutige Reform der Währungsunion, um sie für künftige Krisen besser aufzustellen.

Für die EZB gilt, dass die wirtschaftliche Lage längst keine Geldpolitik im Krisenmodus mehr rechtfertigt – zumal die Inflation absehbar im Bereich des EZB-Ziels von knapp 2% liegen wird. Die Anleihekäufe sollten Ende 2018 endlich enden. Und auch Leitzinserhöhungen sollten nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt werden. Ein Zinserhöhungszyklus à la Fed erscheint schwierig genug. Die EZB will aber sicher auch nicht enden wie die Bank of Japan, deren Leitzins seit mehr als zwei Jahrzehnten nahe oder gar unter 0% liegt.

Quelle: Börsen-Zeitung von Mark Schrörs

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