Riexinger: Hauptgrund für private Verschuldung ist Einkommensarmut

Euromünzen, über dts NachrichtenagenturDer Parteivorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger hält Einkommensarmut für den Hauptgrund für private Verschuldung in Deutschland. „Acht Millionen Menschen leben an der Armutsgrenze, vier Millionen Menschen sind verschuldet“, sagte Riexinger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Ein armutsfester Mindestlohn von zwölf Euro sei zwingend nötig, um existenzsichernde Lebensumstände zu garantieren und Verschuldung zu verhindern.

„Eine Regierung, die Arbeit eklatant stärker besteuert als Kapitalbesitz, handelt verantwortungslos und versündigt sich am Gemeinwohl.“ Laut dem Entwurf des Armuts- und Reichstumsberichts der Bundesregierung sind 4,17 Millionen Erwachsene in Deutschland überschuldet.

Beim Aufschwung werden immer mehr Menschen abgehängt

Das Hamburger institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) stellt anfangs Dezember – zusammen mit der Stiftung „Deutschland im Plus“ – den iff-Überschuldungsreport 2016 vor. Darin wird deutlich, dass der wirtschaftliche Aufschwung an den finanziell gefährdeten Haushalten vorbeigeht. Viele Überschuldete scheinen zu resignieren und verzichten auf eine schuldenfreie Zukunft. Die Überschuldeten sind immer verletzlicher. Sie haben trotz Einführung des Mindestlohns immer geringere Einkommen, sie finden vergleichsweise schlechter einen Arbeitsplatz und der Anteil der Alleinerziehenden steigt wieder. Wichtiger denn je sind daher Angebote zur Überschuldungsprävention, wie die der gemeinnützigen Stiftung „Deutschland im Plus“.

Viele Überschuldete scheinen die Hoffnung auf eine schuldenfreie Zukunft aufgegeben zu haben. Die Zahl der Insolvenzeröffnungen ging bei den Verbraucherverfahren auf einen erneut historisch niedrigen Tiefstand von rund 85.000 zurück – und das trotz einer weiter wachsenden Zahl von 6,7 Millionen Verbrauchern, für die bei Auskunfteien sogenannte „Negativmerkmale“ gespeichert sind. Eine Erklärung ist, dass sich mit der Einführung des Pfändungsschutzkontos für viele Überschuldete die Notwendigkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen, um wieder am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilhaben zu können, erübrigt hat.

Die Einkommensarmut hat sich als Ursache für Überschuldung auf einem hohen Niveau von rund 10 Prozent stabilisiert. Die preisbereinigten Einkommen der Überschuldeten sinken seit Jahren, das mittlere Einkommen liegt aktuell bei 861 Euro und damit rund 13 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Die Einführung des Mindestlohns hat nicht dazu geführt, dass die Anzahl der „Aufstocker“, also diejenigen Bezieher von Arbeitslosengeld II, die trotz Erwerbstätigkeit auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, deutlich abnimmt. Das liegt vor allem daran, dass die Einkommen der Mindestlohnempfänger nicht ausreichen, um sich und ihre Familien aus der Armut herauszuführen. Die Zahl Alleinerziehender unter den Überschuldeten hat zudem erneut zugenommen.

Arbeitslosigkeit und Überschuldung gehen oft miteinander einher Trotz der rückläufigen Arbeitslosenquote und gestiegener Erwerbstätigkeit ist der Anteil der Ratsuchenden, die Arbeitslosigkeit oder reduzierte Arbeit als Hauptauslöser für ihre Überschuldung angaben, im Jahr 2015 auf 28 Prozent gestiegen. Auch in der Entwicklung der vergangenen Jahre spiegelt sich der Beschäftigungsaufbau im Anteil derer, die Arbeitslosigkeit als Überschuldungsgrund angeben, kaum wider. Die Ratsuchenden finden zudem schlechter eine neue Arbeit als der Rest der Bevölkerung, der Anteil der Arbeitslosen unter ihnen ist 2015 mit rund 46 Prozent unverändert hoch.

„Die zunehmende Ungleichheit spiegelt sich immer stärker auch in den Einkommen Überschuldeter wider, immer mehr Menschen nehmen am wirtschaftlichen Aufschwung nicht teil“, fasst iff-Überschuldungsexperte Dr. Dirk Ulbricht zusammen.

Im Rahmen des iff-Überschuldungsreports 2016 wurde eine Untersuchung zu digitalen Arbeitshilfen in der Sozialen Schuldnerberatung durchgeführt. Hierfür wurde im Sommer 2016 eine umfangreiche Befragung unter 190 Schuldnerberatungsstellen im gesamten Bundesgebiet zum derzeitigen Stand der Digitalisierung, zur aktuellen Arbeitsweise sowie zu Möglichkeiten der Beratung in digitaler Form durchgeführt. Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass eine Digitalisierung der Beratung nicht weiterhilft, eine Digitalisierung der Arbeitsabläufe kann dies jedoch sehr wohl.

Finanzbildung elementare Voraussetzung zur Teilnahme am Wirtschaftsleben

Die Stiftung „Deutschland im Plus“ engagiert sich für finanzielle Bildung im Rahmen zielgruppengerechter Aufklärungs- und Hilfsprojekte zur Überschuldungsprävention über alle Altersklassen hinweg. Die gemeinnützige Stiftung hat sich das Ziel gesetzt, möglichst viele Bürger für einen angemessenen und verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Finanzen zu sensibilisieren, damit sie die richtigen Budgetentscheidungen treffen können. Zudem hat die Stiftung Anfang 2016 neue Angebote für junge Migranten geschaffen, die ihnen den Start in Deutschland erleichtern. Dr. Christiane Decker, Vorstandsmitglied der Stiftung, erläutert: „Mit dem neuen Unterrichtsmodul „Fit in finance, strong for life“ haben wir speziell ein auf die Bedürfnisse junger Migranten abgestimmtes Unterrichtsmodul konzipiert. Denn die Möglichkeit zur Teilhabe an unserem Wirtschaftsleben, zu dem Finanzbildung die elementare Voraussetzung ist, stellt einen ganz entscheidenden Faktor zur erfolgreichen Integration dar.“

Neben den vielfältigen Unterrichtsangeboten in den Schulen, mit denen die „Stiftung Deutschland im Plus“ schon mehr als 55.000 Schülerinnen und Schüler erreichen konnten, wird auch deren digitales Angebot stetig ausgebaut. Die App ‚Mein Budget‘ wurde seit Veröffentlichung im Jahr 2013 bereits über 50.000-mal geladen. „Diese Zahl belegt, dass sich die Menschen aus eigenem Antrieb mit ihren Finanzen auseinandersetzen wollen. Das ist sehr erfreulich, denn in vielen Fällen verhindert alleine schon die Kenntnis der eigenen finanziellen Spielräume wirksam die Überschuldung“, so Dr. Decker.

Foto: Euromünzen, über dts Nachrichtenagentur

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