Studie: Wie altern Menschen in Berlin?

Wie altern wir heute und wie gelingt es vielen Menschen, auch im Alter gesund und fit zu bleiben? Diese Fragen erforscht seit 2009 die Berliner Altersstudie II (BASE-II). Bis heute wurden mehr als 1.600 ältere und 600 jüngere Menschen von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen untersucht, darunter Psychologen, Mediziner, Ernährungs- und Sozialwissenschaftler sowie Genetiker. Zum Leitungsgremium des Verbundprojektes gehört auch Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen von der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Wesentliche Ergebnisse liegen nun gesammelt in einem Sonderheft der Fachzeitschrift Gerontology vor.Individuelle Unterschiede in der Alterung sind nicht auf Funktionen des Gehirns, wie Kognition und Selbstbild, beschränkt, sondern betreffen auch andere Systeme, beispielsweise das System der Blutbildung. Dies zeigt sich am Anteil von Personen mit verringertem Blutfarbstoff Hämoglobin – etwa sechs Prozent der untersuchten älteren Männer und Frauen hatten eine solche Anämie. Daneben gibt auch die Länge der Chromosomenenden, der Telomere, einen Hinweis auf das biologische Alter. Diese verkürzen sich mit jeder Zellteilung. Ein Zusammenhang zwischen Anämie und Telomerlänge konnte bislang allerdings nicht nachgewiesen werden. „Es wird interessant sein, diesen Zusammenhang in einigen Jahren an derselben Studiengruppe erneut zu untersuchen, denn sowohl der Anteil der Personen mit Anämie als auch die Verkürzung der Telomere nimmt mit dem Alter zu“, sagt Ilja Demuth von der Charité und Ko-Leiter des medizinischen Teilprojekts von BASE-II. Zusätzlich sind viele Menschen mit dem Cytomegalie-Virus (CMV) infiziert, ohne dass sie es merken. Dieser gehört zur Gruppe der Herpesviren und steht, so konnten die Analysen zeigen, mit einem schwächeren Gesamtzustand des Immunsystems im Zusammenhang.

Weiteres Ergebnis der Studie ist, dass heutige 75-Jährige ihr Leben weniger fremdbestimmt einschätzen als 75-Jährige vor 20 Jahren. Wer sozial aktiv ist, ist zufriedener mit seinem Leben und geistig leistungsfähiger. Dabei spielt auch die Wohnsituation eine Rolle: Analysen zeigen, dass die soziale Unterstützung in der Nachbarschaft, aber auch der Zugang zu Bussen und Bahnen für das Wohlbefinden und die Gesundheit wichtig sind. „Ein Grund dafür könnte sein, dass ältere Menschen hierdurch noch lange Zeit eigenständig etwas unternehmen, Bekannte besuchen oder auch selbst zum Arzt gehen können“, sagt Gert G. Wagner, Ko-Autor und Vorstandsmitglied des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Von Bedeutung ist zudem, wie man seine eigene Zukunft sieht. So können sich Menschen, die erwarten, dass sie noch viele Jahre offen für Neues sein werden, neue Informationen besser einprägen als Menschen ohne diese Erwartung. „Den positiven Zusammenhang zwischen den Erwartungen an seine eigene Zukunft und der Merkfähigkeit finden wir sehr spannend“, sagt Ulman Lindenberger, Direktor des Forschungsbereichs Entwicklungspsychologie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Leiter des psychologischen Teils von BASE-II. Es seien verschiedene Ursachen für diesen Zusammenhang denkbar, denen man in Folgeuntersuchungen nachgehen werde.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Studie, dass der Anstieg der Lebenserwartung mit einem Zugewinn an gesunden Jahren einhergeht. Ein Datenvergleich von BASE-II und der Vorgängerstudie BASE belegt: Die geistige Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden im Alter bleiben länger erhalten. „Wir gehen davon aus, dass sich die Zeit, in der ältere Menschen von gesundheitlichen Einschränkungen oder geistigen Einbußen betroffen sind, durch die verlängerte Lebenserwartung nicht einfach in die Länge zieht, sondern sich zum Ende des Lebens hin verdichtet“, sagt Denis Gerstorf, Professor für Entwicklungspsychologie am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin und Sprecher der BASE-II-Studie. „Unsere bisherigen Ergebnisse ermöglichen es uns, Phänomene des Alterns besser zu verstehen. Um jedoch die dahinterliegenden Ursachen und Wirkungen zu begreifen, müssen wir die Menschen länger begleiten und uns intensiver mit ihrem Lebensalltag beschäftigen. Darin sehen wir unsere Folgeaufgabe“, sagt Denis Gerstorf.

Koordiniert wird BASE-II von einer multidisziplinären Leitungsgruppe, der neben Prof. Dr. Elisabeth Steinhagen-Thiessen auch Prof. Dr. Ulman Lindenberger vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Prof. Dr. Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Dr. Lars Bertram vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik sowie Prof. Dr. Graham Pawelec vom Zentrum für Medizinische Forschung der Universität Tübingen angehören.

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