Sven Clausen: Kommentar zum Rauswurf des Vorstandschefs bei Siemens

Siemens Windpark

Berlin – Dass Peter Löscher als Vorstandschef bei Siemens abgelöst wird, ist lobenswert. Seine Bilanz ist katastrophal. Der Konzern hat den Nimbus der handwerklichen Unfehlbarkeit verloren. Das gilt technologisch: Hochgeschwindigkeitszüge werden nicht fertig, bei Windrädern gibt es Qualitätsprobleme. Das gilt aber auch im Management: Löschers Konzernziele, etwa die 100 Milliarden Euro Umsatz, wirkten alarmierend entrückt. Die Begleitumstände seiner Demission legen allerdings nahe, dass nicht der Österreicher allein das Problem ist: Nicht nur Löscher fehlt die Qualifikation, um ein solch komplexes Gebilde wie den Siemens-Konzern mit seinen 370.000 Beschäftigten zu führen, sondern auch der Rest der Führungsspitze benimmt sich wie eine Lehrlingstruppe.

Löscher fehlte zudem überall das Vertrauen. Bei den Investoren war das über den Aktienkurs offensichtlich, bei den Mitvorständen über halb öffentliche rhetorische Spitzen wahrzunehmen. Jüngst ging in einem Hilfeschrei auch noch der Betriebsrat an die Öffentlichkeit. Konkret heißt das: Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hätte mit seinem Vize, dem IG-Metall-Chef Berthold Huber, eine Nachfolge für Löscher festlegen müssen. Dann hätte Cromme die Vertreter der Kapitalseite und Huber die Vertreter der Arbeitnehmerseite auf diese Lösung einschwören müssen – um dann den Plan öffentlich zu machen und die Ordnung wiederherzustellen, die Siemens dringend braucht.

Das Gegenteil ist zu beobachten: Bei Siemens ist Anarchie ausgebrochen. Die Nachfolgefrage ist offen. Peter Löscher durfte am Wochenende sogar noch einmal kundtun, dass er doch eigentlich der beste Mann für die Aufgabe sei. Sollte der Aufsichtsrat Finanzvorstand Joe Kaeser am Mittwoch zu Löschers Nachfolger küren, würde dies die Lage nicht befrieden. Kaeser kritisierte Löscher immer wieder halb öffentlich. Auch wenn er damit inhaltlich völlig recht hatte: Illoyalität, so darf man bei Siemens inzwischen rechnen, kann sich auszahlen.

Gleichzeitig würde Kaesers Sieg eine klare Niederlage für Industrievorstand Siegfried Russwurm bedeuten, der auch sehr gerne Vorstandschef wäre. Dass der sich einfach in sein Schicksal fügt, ist unwahrscheinlich. Der einzige Vorteil für Berlin: Sowohl Kaeser als auch Russwurm sind Eigengewächse und wissen daher um die besondere Bedeutung der Stadt als Keimzelle des Weltkonzerns. Die Rolle der Hauptstadt dürfte also erst einmal nicht gefährdet sein.

Der Konzern insgesamt aber steht weiter vor unruhigen Zeiten. In einer solchen Situation braucht es einen starken Aufsichtsratschef. Gerhard Cromme beweist gerade, dass er das Gegenteil ist. Zuletzt gabes ein ähnliches Schauspiel bei der Deutschen Bank. Dort wurde nicht nur die Vorstandsspitze neu sortiert, sondern auch der Aufsichtsrat samt dessen Chef. Seitdem geht es dort wieder langsam bergauf. Immerhin ein Hoffnungsschimmer.

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